Das Jahr 2014 geht dem Ende zu – der Schreibtisch ist fast aufgeräumt und nur noch ein Türchen in unserem Weihnachtskalender ist noch geschlossen. Wir melden uns wieder Anfang 2015…
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Medienkompetenzen in der Berufsbildung – Teil 6: Was sagen andere Bildungsexperten zu den Ergebnissen?
Am 13. und 14. November fand in Augsburg die Herbsttagung der Sektion Medianpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (dgfe) statt. Das übergreifende Thema der Tagung lautete „Digital und vernetzt“.
Das Angebot der Vorträge reichte über Themen wie die Verwendung von Metaphern bis hin zu der Vorstellung anwendungsbezogener Forschungsarbeiten. Metaphern dienen der Beschreibung von Handlungsbereichen der Mediendidaktik, welche bereits Vorannahmen auf das Phänomen implizieren (Kerres, Universität Duisburg Essen). Dabei stellte sich jedoch die Frage ob die Raummetapher, also das „Internet als Lernraum“ für Jugendliche gelten kann. Jugendliche sagen nicht „Ich gehe jetzt ins Internet“, sondern das Internet ist allgegenwärtig und Teil ihrer Lebenswelt. Ein eher praxisorientiertes Projekt befasst sich mit der Fragestellung: Wie Medien formelle und informelle Lernprozesse im Berufswahlunterricht unterstützen können (Moser & Rummler, PH Zürich). Dabei präsentieren Schüler ihre früheren und derzeitigen Berufswünsche anhand von Fotos. Alle Themen boten Möglichkeiten die Arbeit mit Medien aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten und in Bezug auf die eigene (Forschungs-)Arbeit zu reflektieren. Im Rahmen dieser Tagung erhielten auch wir die Möglichkeit unser Projekt „Medienkompetenzen in der Berufsbildung“ vorzustellen und die Vorgehensweisen sowie Ergebnisse unseres Projektes anhand eines Posters zu präsentieren.
In den letzten Ausführungen unserer Blogreihe sind wir bereits auf die zentralen Aussagen eingegangen. Um unsere Blogreihe zu diesem Thema vorerst abzuschliessen, möchte ich heute ein paar zentrale Aussagen aus der anschliessenden Diskussion weitergeben:
- Wenn Auszubildende sich selbst als medienkompetent bezeichnen, so ist zu hinterfragen, ob damit die Anwendung spezifischer Tools und Programme oder tatsächlich der verantwortungsbewusste und reflektierte Umgang damit gemeint ist.
- Die Ergebnisse verdeutlichen, auch wenn Jugendliche zu Themen wie „falsche Informationen im Netz“ oder „der Umgang mit Datenschutz“ sensibilisiert sind, scheint es ihnen schwer zu fallen in konkreten Fallsituationen mögliche Gefahren zu erkennen.
- Erfahrungen zeigen, dass Jugendliche zwar digitale Medien für den privaten Kontext in unterschiedlicher Art und Weise nutzen, sie jedoch unsicher dabei sind, diese auch für das selbstgesteuerte Lernen (beispielsweise Wikis) anzuwenden.
- Es ist zudem wichtig, dass auch das Unternehmen den kompetenten Umgang mit digitalen Medien vorlebt, diese selbst in die Lernprozesse integriert und die Entwicklung von Medienkompetenz nicht lediglich „an eine externe Stelle abgibt“ und die eigene Verantwortung erkennt.
- Anschliessen kamen noch spannende Fragen auf: Welches Medienkompetenzverständnis haben eigentlich Lehr- oder Ausbildungspersonen? Unterscheidet sich dieses von dem technokratisch-pragmatischen Verständnis der Auszubildenden und wenn ja inwiefern?
Mit den Ergebnissen der Studie konnten wir bereits eine erste Bestandsaufnahme der Medienkompetenz der Schindler-Lernenden erreichen. Diese bietet eine Grundlage, um Bedarfe und Bedürfnisse der Lernenden zu konkretisieren und daran anknüpfend Medienkompetenz zielgerichtet zu fördern. Zudem wurde von uns eine Typologie erstellt, welche die Schwerpunkte der sechs interviewten Auszubildenden im Umgang mit digitalen Medien herausstellt und ein Kompetenzmodell dargelegt, welches Überlegungen aufzeigt Medienkompetenzen auf der Stufe Sek II zu fördern. Aufgrund der Beschränkung auf ein Unternehmen, kann kaum von einer Generalisierbarkeit der Ergebnisse auf „Lernende im Allgemeinen“ ausgegangen werden. Vielmehr ging es uns darum Ansätze für die Entwicklung von Medienkompetenz auf der Stufe der Sek II aufzuzeigen. Die im Rahmen des Modells formulierten Handlungsempfehlungen werden derzeit versucht in einem neuen Projekt aufzugreifen und Informationskompetenz sowie das Verständnis für ökonomische Zusammenhänge in virtuellen Welten, integriert in den Fachunterricht, zu fördern.
Potenziale von interaktiven e-Books für den Einsatz in Lehr-Lernprozessen
Eduhub.ch ist die Community der E-Learning-Experten der schweizerischen Hochschulen, mit verschiedenen Special-Interest-Groups – zum Beispiel zu E-Assessment, E-Portfolios oder auch mobilem Lernen.
Christian Glahn (ISN, ETH Zürich) koordiniert die Arbeit in der Special-Interest-Group zu mobilem Lernen und er hat heute im Rahmen eines Webinars zu aktuellen Entwicklungen im Bereich interaktiver E-Books berichtet.
Der Vortrag war stärker auf technische Aspekte ausgerichtet als ich es erwartet hatte. Christian Glahn thematisierte den Unterschied zwischen den Spezifikationen EPUB2 und EPUB3 und nahm eine Abgrenzung von nativen Apps, Web-Apps und (interaktiven) E-Books vor. Dann stellte er verschiedene Modalitäten der Interaktion in E-Books vor: Annotationen, Links und Pop-ups, interaktive Grafiken, Wissenstests und schliesslich nutzerspezifische Lese- / Lernpfade.
Interessant fand ich seine Einschätzung dazu, inwiefern interaktive E-Books auch im Rahmen formal organisierter Lehr-/Lernprozesse eingesetzt werden könn(t)en (“interactive e-books in managed learning”). Hier hat er zunächst eine Gegenüberstellung des EPUB-Formats mit dem SCORM-Format vorgenommen. Er hat dann aufgezeigt, dass gegenwärtig verschiedene Arbeitsgruppen an Spezifikationen arbeiten, die es künftig erlauben, interaktive E-Books ähnlich in Lernprozessen einzusetzen wie es heute schon bei Web Based Trainings der Fall ist – mit der Übergabe von Informationen z.B. zur Nutzung oder zu Testergebnissen an ein dahinter liegendes Lern-Management-System. Allerdings liegen bislang nur frühe Entwürfe für diese Spezifikationen vor. Christian Glahn rechnet damit, dass diese Arbeiten in 2015 / 2016 so weit gediehen sein werden, dass dann auch entsprechende Autorenwerkzeuge zur Verfügung stehen. Bislang, so sein Fazit, erfordert das Erstellen von interaktiven E-Books, die plattformübergreifend (iOS, Android, Windows Mobile, etc.) verfügbar und nutzbar sind, einiges an Software-Entwicklungs-Kompetenzen.
Focusmem: Berufsbildung Schweiz zwischen Tradition und Vision
Schon lange wollte ich über den Event Focusmem berichten, fand bereits Ende Oktober statt. Das Programm-Motto lautete “Tradition – Vision” mit einem abwechslungsreichen Programm und einer inspirierenden Plattform für Bildungsverantwortliche in der Berufsbildung:
http://kongress.focusmem.ch/Sites/Programm.aspx?L=de-CH
Die Moderatorin hat auf ihrem Blog bereits berichtet:
http://www.ponyhue.ch/uncategorized/nationalratspraesident-will-pony-hues-frisur/
Eingeladen war ich zu dem Thema “Trends im Lernen”, anbei meine Folien.
Gefragt wurde ich zum berechtigten Anliegen: wie sollen die neuen Entwicklungen denn von der Praxis aufgenommen werden? Meine Antwort war eher auf meine Erfahrungen in der Berufsfachschule bezogen, ich favorisierte in meiner Antwort eher darauf, Bottom-up Entwicklungen zu fördern, damit Lehrpersonen von sich aus den Anreiz erkennen, stärker Lernerfahrungen zu ermöglichen anstatt zu “Lehren”. Aber meine Antwort hat natürlich in der Berufsbildung viel zu kurz gegriffen. Die Frage ist sehr berechtigt, aber auch schwer zu beantworten. Die Lernortkooperation in der Berufsbildung würde zwar die Chance bieten, Synergieeffekte zu nutzen, insbesondere digitale Medien (insbesondere Kommunikationsmedien) könnten hier Brücken zwischen den Lernorten schlagen. Allerdings müssten hier die Zuwege immer noch ausgebaut, insbesondere kulturelle Barrieren überbrückt werden.
focusmem_seufert
Action Learning Projekte – Absolventen 2014
Das zentrale integrierende Element unseres Zertifikatsprogramms “Bildungsmanagement” ist ein “Action Learning Projekt”, das die Teilnehmenden im Verlauf des Lehrgangs erarbeiten. Ziel des Projekts ist es, Konzepte, Methoden und Arbeitshilfen aus den Modulen des Zertifikatsprogramms auf ein selbst gewähltes Projekt im eigenen Arbeitskontext anzuwenden. Zwei mal im Jahr finden Präsentationstage statt, an denen die Projektarbeiten vorgestellt werden.
Wie schon vor einem Jahr (vgl. den Blogbeitrag von Dezember 2013) haben auch jetzt wieder eine ganze Reihe von Absolventen ihre Projekte vorgestellt. Da auch einige Alumni dabei waren und einige Teilnehmende aus dem laufenden Programm sich zu der Abschlussarbeit und der Abschlusspräsentation orientieren wollten, waren wir eine ganz ansehnliche Runde geworden. Für die abschliessende Präsentation und Diskussion der Projekte haben wir uns für die Form einer Poster-Vernissage entschieden. Die folgenden Bilder zeigen ein paar Impressionen dazu:
Im Mittelpunkte des Projekts “Entwicklung von Medienkompetenzen bei CYP” von Carmen-Luisa Núñez de la Torre (CYP) standen die Diagnose von Medienkompetenzen der Berufslernenden bei CYP, die Ableitung von Massnahmen zur weiteren Entwicklung dieser Medienkompetenzen und die (noch laufende) Beobachtung der Effekte (in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich). Sie betonte insbesondere die Bedeutung eines gezielten Veränderungsmanagements im Rahmen der Umstellung zu digitalen Lernformen bei CYP.
Judith Shoukier (Bellingswood Group) stellte mit ihrem Poster ihr Projekt zur “Entwicklung eines Internationalen Lehrgangs für QM-Auditoren in der Medizintechnik” vor. Dieser neu entwickelte Lehrgang setzt auf ein blended learning-Konzept und Judith Shoukier stellte in ihrer Präsentation insbesondere die Bemühungen um eine starke Transfer-Orientierung (z.B. Probe-Audit mit Video-Dokumentation) heraus.
Marie-Lou Z’graggen (Swiss Life) berichtete zum Thema “Unterstützung eines internen Transformationsprozessess durch Führungskräfte-Entwicklung“. Ein interessantes Element des Unterstützungskonzepts sind – ergänzend zu seminaristischen Schulungsformen – sogenannte “Power-Sessions”. Bei diesen ca. 1.5 Stunden langen Sessions werden ausgewählte Aspekte des Entwicklungsprogramms anwendungsorientiert vertieft, entweder innerhalb einer Lerngruppe von Führungskräften oder auch in einer Lerngruppe, die eine Führungskraft und ihr Team umfasst.
Miriam Staeheli (Heilpädagogin) stellte ein Konzept zu “Selbstgesteuerte Entwicklung von Fachkompetenzen in der Schule” vor. Ihr Konzept greift die Anforderungen auf, dass Lehrpersonen an den Volksschulen in der Schweiz pro Jahr eine bestimmte Anzahl von Weiterbildungsstunden pro Jahr nachweisen müssen. Sie zeigt auf, wie diese Weiterbildung auch selbstgesteuert und selbstorganisiert erfolgen kann.
“Implementierung von Kompetenzmanagement im Careum Bildungszentrum Zürich” war das Thema der Abschlussarbeit von Rosaria Aretano (Careum Bildungszentrum). Sie zeigte zum einen den Weg auf, den das Projektteam gegangen ist: von der Analyse des Kraftfelds (einer Veränderung förderliche / hinderliche Faktoren), über die Überarbeitung des Kompetenzmodells und die Entwicklung von Ideen zur Unterstützung einer lernförderlichen Führungsarbeit bis hin zur Gestaltung von Arbeitshilfen rund um die Durchführung der Entwicklungsgespräche von Vorgesetzten und Mitarbeitenden. Sie stellte insbesondere heraus, dass in der Pilotierung gute Erfahrungen mit der Trennung von Entwicklungs- und Beurteilungsgesprächen gemacht wurden, obwohl die Führungskräfte diesbezüglich Sorgen hinsichtlich der Zusatzbelastung geäussert hatten.
Erich Kissling (BERUFUNG) zeigte mit seinem Poster die Entwicklung von einem “Angebotsportfolio mit Umsetzungsbeispiel – Zusammenarbeit mit BZWU Wil-Uzwil” auf. Im Zentrum stand dabei die Frage, wie ein Bildungsanbieter ein neues Leistungsportfolio jenseits der bereits etablierten Kompetenzen und Angebote entwickeln kann.
Die “Implementierung des Qualifikationsverfahrens Grundbildung Holzbau Schweiz” war Thema des Action Learning Projekts von Peter Elsasser (Holzbau Schweiz). Er zeigte dabei unter anderem die Herausforderungen bei der Entwicklung einer einheitlichen Abschlussprüfung für Berufslernende auf, die sich bei der Zusammenarbeit zwischen den Branchenvertretern aus verschiedenen Sprachregionen ergeben.
Abschliessend präsentierte Nina Els (Helsana) “Ein Konzept für Bildungscontrolling bei Helsana Versicherungen AG“. Zentral bei dieser Arbeit der Prozessgestaltung war die Anforderung, einen agilen Ansatzes für Bildungscontrolling umzusetzen. An Stelle von immer gleichbleibenden Kriteriensets soll dieser Ansatz es erlauben, jeweils aktuelle Fragestellungen im Rahmen von Bildungscontrolling zu verfolgen.
Ich persönlich fand die Projekte und deren Diskussion im Rahmen einer Poster-Vernissage sehr interessant und anregend. Die Umstellung von einem auf Einzelvorträge ausgerichteten Abschlussevent hin zu einer Vernissage mit Fokus auf Fragen und Diskussion hat – zumindest aus meiner Sicht als Organisator – sehr gut funktioniert. Gleichzeitig habe ich aus der abschliessenden Feedback-Runde noch einige Ideen für die Weiterentwicklung dieses Formats mitnehmen können.
Medienkompetenzen in der Berufsbildung – Teil 5: Welche Schwerpunkte im Unterricht setzen?
In dem 3. Blogbeitrag unserer Reihe „Medienkompetenzen in der Berufsbildung“ haben wir eine Typologie von sechs Auszubildenden vorgestellt, welche wir anhand unserer Ergebnisse aus den Einzelfallanalysen abgeleitet haben. Abschliessend haben wir die These aufgestellt, dass es „den“ Digital Native nicht gibt, sondern jeder auch kompetent wirkende junge User seine individuellen Stärken und Unterstützungsbedarfe hat. Die Entwicklung von Medienkompetenz muss also breiter angelegt werden und auch das Bewusstsein für die Zusammenhänge zwischen virtueller und „realer“ Welt schärfen. (Berufs-)Schulen nehmen diesbezüglich einen hohen Stellenwert ein und stehen damit vor der Herausforderung Möglichkeiten zu eruieren, Medienkompetenzen eingebettet in den Fachunterricht zu fördern.
Aus diesem Grund haben wir aus den Ergebnissen folgendes Modell für die Förderung von Medienkompetenzen in der Berufsbildung, insbesondere für den Unterricht auf der Sek II Stufe abgeleitet:
Die Entwicklung von Informationskompetenz für den kompetenten Umgang mit Wissen stellt eine zentrale Aufgabe von Schulen dar. Aufgrund der Ergebnisse wird ein erhöhter Bedarf zur Kompetenzentwicklung im Bereich „Umgang mit Informationen (Informationskompetenz“) gesehen. Die (Berufs-)Schule steht daher vor der Herausforderung, Such- und Bewertungsstrategien als Selbstkompetenz in den fachlichen Unterricht zu integrieren. (Information und Kommunikation)
Digitale Medien unterstützen Arbeits- und Lernprozesse. Adressatengerechte IT-Anwendungen und das aufzeigen neuer Möglichkeiten können effektives und selbstgesteuertes Lernen individuell fördern. Mit der Verwendung von relevanten Problemstellungen im Unterricht können die Nutzung digitaler Lernmedien für selbstbestimmte Lernprozesse thematisiert und die Reflexionsfähigkeit hinsichtlich des eigenen Lernverhaltens erhöht werden. (Identitätssuche & Orientierung )
Das Internet bietet erweiterte Optionen zur Kommunikation und Vernetzung. Für einen (sozial-)kompetenten Umgang mit digitalen Medien gilt es, das Bewusstsein für die eigene Präsenz im Netz sowie eigene Rechte und Pflichten zu schärfen. (Kommunikation & Kooperation)
Um Internet-Anwendungen kritisch hinterfragen zu können, ist eine ökonomische Grundbildung notwendig, welche dazu verhilft die wirtschaftliche Funktion dieser zu verstehen und den Blick für die Zusammenhänge zwischen virtueller und „realer“ Welt zu schärfen. (Digitale Wirklichkeit und produktives Handeln)
Eine Verknüpfung von rechtlichen Themen (Urheberrecht, Datenschutz) für ein sozialverantwortliches Handeln in digitalen Welten sowie eine ökonomische Grundbildung zur Funktionsweise des Internets, könnten die Lernenden hierfür sensibilisieren. Für die Entwicklung dieser Kompetenzen ist es notwendig, nicht nur für Gefahrenpotenziale zu sensibilisieren (hier scheinen die Jugendlichen bereits sehr sensibilisiert zu sein), sondern konkrete Handlungsstrategien zur Bewältigung konkreter Problemstellungen aufzuzeigen, zu routinisieren und Zusammenhänge zwischen virtueller und „realer“ Welt zu verdeutlichen.
Im Zentrum des Medienkompetenzmodells stehen daher die drei Handlungsdimensionen: Wissen (technisch, aber auch ethisch, rechtlich und ökonomisch), Fertigkeiten (technische Handhabung, aber auch Handlungsstrategien) und Einstellungen (stabilisierende Wertemuster). Wir schlagen daher eine Schwerpunktsetzung auf diese Bereiche für die Sekundarstufe II, insbesondere hier dem Berufsschulunterricht, vor.
Jeden Tag ein Türchen… – Der scil Weihnachtskalender
Hier ist der scil Weihnachtskalender 2014. Keine Schokolade, aber ein paar witzige und nützliche Dinge für Learning Professionals…
Viele Spass damit!
(P.S. Die Links zu den Ressourcen verbergen sich jeweils hinter dem gelben Stern)
Kinder-Uni: Macht der Computer dumm oder schlau ? Die Rückschau
Ein absolut intensives Erlebnis – als die Türen sich kurz vor 15 Uhr öffnen, rennen die Kinder mit lautem „Hurra“ in den Hörsaal. Sie wollen die vordersten Ränge ergattern. Ich rufe laut „wow“ ins Micro, ich bin so ergriffen. Aber keiner hört mich, die Kinder erobern den Audimax. Als es dann losgeht, sind doch alle Kinder erstaunlich ruhig plötzlich. Sie haben ihre Bleistifte in der Hand und schauen gebannt, was vorne passiert.
Als ich ihnen nach einer Intro sage, dass ich ein Gehirn dabei habe, kommt ein spontantes „iiiiihhhhh“ der Kinder. Reaktionen sind unmittelbar, mit allen Emotionen, die ein Mensch nur haben kann. Ich benutze das Gehirn, zeige den Frontallappen, um zu erklären, warum es so wichtig ist, dass sie die Medienzeiten im Griff haben.
Dann gehen wir ins Internet – zwei Buben (beide 9 Jahre alt) kommen freiwillig nach vorne, sie kennen sich schon aus. Gleich kommt ein Experte – der Herr der Netze – wer könnte das denn sein, frage ich die beiden. Der eine antwortet spontan: Herr Google? Auch nicht schlecht die Antwort. Wir lassen die Musik von Spiderman einlaufen – die erkennt der selbige Junge dann auch sofort – Er ist es…. Spiderman steigt die Treppen hinab (Anmerkung: Christoph – grossen Dank an ihn nochmals!!! – wollte sich eigentlich abseilen, das durfte er aus sicherheitstechnischen Gründen nicht ;-))
Die Reaktion der Kinder ist wieder klasse: ein Ahh und Ohhh – überhaupt sehe ich viele strahlende und lachende Kinder – es ist ein wahrer Genuss. Der Spiderman zeigt dann vieles gemeinsam mit den Kindern – schlau suchen, sich schlau informieren, sich schlau im Internet verhalten. Natürlich ist das Thema „schlau spielen“ am tollsten – da sind alle begeistert dabei. Jeder will sein Lieblingsspiel rufen, die Kinder sind kaum zu halten. Ein Mädchen beeindruckt den Spiderman sehr: sie spielt gerne mit einer Programmier-App, mit der sie selbst Sachen gestalten kann.
Zur Orientierung hier ein paar Fakten: ca. 500 Kinder haben die Vorlesung besucht, Alter zwischen 8 bis 12 Jahren – 3. bis 6. Klasse
– wer hat alles Spielkonsolen zuhause (Playstation, WII, xbox)? – fast alle Hände gehen hoch
– wer hat einen eigenen Computer? auch fast alle (aber evtl. benutzen sie zuhause einen Computer mit)
– wer hat einen eigenen iPad? ungefähr zwei Drittel im Raum
– wer hat ein eigenes Handy? ca. die Hälfte
Beliebteste Spiele: Clash of Clan, World of Warcraft, MineCraft -> Online Rollenspiele sind extrem beliebt, es gehen fast alle Finger hoch
Die 45 Minuten sind kurzweilig, gehen ganz schnell vorbei. Eine Vorlesung kann doch wahnsinnig viel Spass machen, wenn es etwas Besonderes für alle Beteiligte ist 🙂 I love Kinder-Uni!!!
Noch zum Schmunzeln: nach dem Ende der Vorlesung kommen einige Kinder mit ihren Fragen nach vorne. Ein Mädchen, ca. 7 Jahre alt, fragt mich, ob es in Ordnung sei, dass sie Schach auf dem Computer spiele, schliesslich sei es ein Erwachsenenspiel (ich hatte vorher erklärt, dass sie Spiele spielen sollten, die für ihr Alter bestimmt sind). Ein anderer Junge hat während der Vorlesung den Spiderman gezeichnet – fand ich auch sehr herzig. Im Nachgang treffe ich auf einige Mütter, eine davon berichtet mir, dass ihr Sohn über die Computerzeiten verhandeln wollte – lt. Empfehlung dürfe er etwas länger spielen – in dieser Beziehung klappt der Lerntransfer hervorragend :-).
Kinderuni_Broschuere_19112014
Kinderuni_Computer_1911
Medienkompetenz in der Berufsbildung – Teil 4: Ein interessanter Einzelfall…
Nina berichtete bereits von unserer Studie zu Medienkompetenzen in der Berufsbildung. Neben einer standardisierten Befragung von allen 160 Lernenden haben wir darüber hinaus Einzelfallanalysen durchgeführt. In den Interviews wollten wir erfahren, was die Auszubildenden selbst darunter verstehen, kompetent in der Ausbildung mit digitalen Medien umzugehen. Dabei haben wir drei Erhebungsinstrumente eingesetzt:
- Mental Frames: zur Visualisierung der subjektiven Vorstellungen von Medienkompetenz aus der Sicht der Jugendlichen;
- SWOT-Analyse: zur Analyse von subjektiv wahrgenommenen Chancen und Gefahren digitaler Medien;
- Exemplarische Fallsituationen: zur Beschreibung von vier Fallsituationen, anhand dessen die Lernenden ihre eigenen Vorgehensweisen schildern könnten.
Einen Fall fand ich persönlich besonders interessant. Wir nannten ihn in unserer Typologie den „Power User “ – so hat er sich auch selbst charakterisiert. Anbei seine beiden Visualisierungen:
Mental Frame: Was bedeutet Medienkompetenz?
Teilweise sind es Anwendungsfelder (Social Media, Cloude Dienste, etc. – auch für Lerngruppen), teilweise aber auch Konzepte (Werbung), die wirtschaftliche Zusammenhänge aufzeigen. Er ist der einzige Lernende, der auch wirtschaftliche Aspekte im Umgang mit digitalen Medien eingeht.
SWOT-Analyse: Eigene Stärken und Schwächen im Umgang mit digitalen Medien?
Mit den anderen Einzelfällen gemein hat auch dieser Lernende, dass als eine Chance die Beschaffung von Informationen gesehen wird, aber auch als Gefahr, wie meine Inhalte missbräuchlich genutzt werden können. Fast alle Auszubildenden nennen bei Gefahren und Schwäche, einen Aspekt im Umgang mit Informationen (Falsche Informationen, relevante Informationen nicht finden zu können). Dieser Auszubildende ist der einzige, der bei dem Feld Chance und Schwächen überhaupt einen Aspekt angibt. Bei allen anderen Lernenden blieb dieses Feld ausschliesslich leer.
Was steckt hinter „Geld verdienen“ – Chance, die als Schwäche charakterisiert wird?
Der Auszbildende beschäftigt sich auch mit ökonomischen Zusammenhängen im Internet. Er weiss, dass Youtube zu Google gehört. Er kennt Diskussionen um neue Geschäftsmodelle bzw. Kooperationen mit Google, um mit Youtube Geld verdienen zu können. Gleichzeitig ist er aber auch der Meinung, dass er diese Chance für sich selbst nicht nutzen möchte. „Er möchte einen anständigen Job machen“. Was sagt uns das?
Zwar weiss er mehr als andere, wie Geschäftsmodelle funktionieren. Allerdings zieht er auch relativ vorschnelle Schlüsse, wertet die Zusammenarbeit mit einem Internet-Geschäftsmodell als unmoralisch und unethisch für sich ab. Insbesondere die Sicherheit im Internet im Sinne von Datenschutz und Patentrechte hebt er in vielen Aussagen hervor. Der Zusammenhang, dass mit (seinen) persönlichen Daten und Inhalten Geld verdient werden kann, ist ihm bewusst und er versucht sich davor zu schützen, auch wenn er der Meinung ist, dies nicht vollends tun zu können.
Ich finde diesen Fall deshalb so interessant, weil er m.E: aufzeigt, wie wichtig es ist, im Rahmen der Medienbildung auch ökonomische Aspekte, wirtschaftliche Zusammenhänge im Internet, aufzuzeigen. Jugendliche heutzutage sind häufig sehr sensibilisiert, auch hinsichtlich der Gefahren im Internet. Wirtschaftliche Zusammenhänge im Internet bleiben allerdings unklar oder führen zu falschen Interpretationen (Geschäftsmodelle mit Google / Youtube per se unethisch). Wie in diesem Fall deutlich wird, kann leicht Halbwissen entstehen, das auch zu falschen Schlussfolgerungen führen kann – Chancen nicht ergriffen werden. das Internet ist eben per se kein „Bildungsautomat“.
Meine Schlussfolgerung:
Kompetent mit digitalen Medien umzugehen, benötigt – neben technischen, sozialen, kulturellen, ethischen, rechtlichen Aspekten – auch eine ökonomische Grundbildung!
Schulleitertagung: Social Media und Web 2.0 als Instrumente des Blended Learning
Letzten Freitag war ich bei der Schulleitertagung in der Nähe von Bern eingeladen. Teilgenommen haben ca. 60 Schulleiter und Schuleiterinnen (anzahlmässig deutlich in der Minderheit) der Sekundarstufe II.
Eingeladen war ich zum Thema: Social Media und Web 2.0 als Instrumente des Blended Learning. Die Gelegenheit habe ich genutzt, um eine Zeitreise “Blended Learning” vorzunehmen – was sich hinter “gemischtem Lernen” verbirgt, hat sich in den letzten Jahren ja immer weiter entwickelt, es kamen immer mehr Optionen hinzu, um “Mischungen” für die Gestaltung von Lernprozessen zu ermöglichen. Stand am Anfang die Mischung elearning – Präsenz, online – offline im Vordergrund, rückte dann vielmehr die Organisation in geeignete Lernphasen (Vorbereitung, Präsenz, Nachbereitung – Transfer) in den Mittelpunkt. Mit der Entwicklung um Web 2.0 und später dann Social Media entstand auch die Bezeichnung “Blended Learning 2.0” – das Ideal des selbstgesteuerten Lernens (wie Wikipedia) und eine neue Mitmach-Kultur, Wissen zu produzieren und zu teilen, beherrschte neu die Diskussion. Gemischtes Lernen wurde dann häufig auch in der Verknüpfung von formellem und informellem Lernen gesehen. Die enorme Verbreitung von online games und Lernapps sorgte für einen neuen Trend “Gamification” – spielerische Elemente in einen Arbeits- oder Lernprozess zu integrieren, um dadurch die Aufmerksamkeit zu steuern und zu Verhaltensänderungen zu motivieren. Vielleicht war ich durch die Vorbereitung auf die Kinderuni (es ist faszinierend, wieviele pädagogisch wertvolle Lernapps und Lernspiele für die Primarschule existieren!) sowie durch den tollen Vortrag von Wolfgang Rathert an unserem scil Seminar zur Gestaltung des Lerntransfers mit der Zukunftsentwicklung “Gamification” beschäftigt. -> hier der Link zu seinen Folien: http://bit.ly/gamification141106 sowie auch zu seinem Blogbeitrag darüber:
http://wolfgangrathert.com/learning-on-the-job-gamification-als-koenigsweg-fuer-den-lerntransfer/
Die Diskussion mit den Schulleitern drehte sich dann auch etwas um den “Spassfaktor” – wieviel Spass darf denn sein? Lernen ist doch mit Anstrengung verbunden, da braucht es auch entsprechend Druck, – so einige Statements auf den Punkt gebracht. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen… Jetzt viel investieren in unsere Ausbildung, dann später wieder geniessen, Früchte ernten können… Sind wir nicht alle mit ähnlichen Mantras gross geworden in unserem Bildungssystem? Aber was heisst es denn für Jugendliche, wenn sie ständig hören, wie wichtig lebenslanges Lernen ist – es eigentlich nie aufhört… Geht die Rechnung – erst die Arbeit, dann das Vergnügen – überhaupt noch auf? Ich meine, dass die heutigen Generationen eine andere Definition und Bewertung von Spass vornehmen: es kann eine sinnvolle Aufgabe sein, eine Herausforderung, die mich aus der Komfortzone herauslockt, es kann der Wettbewerb sein, mich mit anderen zu vergleichen – zunehmend auch durch soziale Netzwerke, “quantified self”, autonom etwas selbst entscheiden zu dürfen, sich kompetent erleben, etwas geschafft zu haben, stolz auf sich sein zu können, gemeinsam mit anderen Ziele zu stecken und gemeinsam etwas auszuhalten (Weight Watchers Prinzip). Ich denke, dass wir derartige Motivationsmechanismen in kreativer Form mit spielerischen Elementen stärker in den Schulalltag einbauen könnten – ohne dabei die Seriosität verlieren zu müssen, Persönlichkeitsentwicklung zu fördern, insbesondere Kompetenzen im Umgang mit (dynamischem) Wissen, Einstellungen und Fertigkeiten entwickeln zu wollen – die Neugierde und Lust auf Lernen im Laufe der Jahre nicht auszulöschen, sondern diese vielmehr immer wieder aufs Neue zu entfachen!
Ich fürchte in Gerzensee ist mir meine Kernbotschaft an dieser Stelle nur bedingt gelungen – zu schnell geht eine Schublade auf, ach wieder so eine Edutainment Welle… Ich sehe die Entwicklungen als ein grundsätzlicheres Phänomen – die Übertragung etablierter Motivationstheorien (z.B: Decy&Ryan – Selbstbestimmungstheorie) in unser digitales Zeitalter einer Wissensgesellschaft.
Hier noch meine Folien:
Gerzensee_seufert
Sowie der Link auf die Zusammenfassung der anderen Vorträge:
http://unibern.sorcelli.ch/zusammenfassung-von-leonhard-gadetg/
Kinderuni: Macht der Computer dumm oder schlau?
Dieses Jahr ist es meine zweite Kinderuni. Vor drei Jahren habe ich meine erste Kinderuni Vorlesung gehalten zum Thema: Warum Lehrer nicht alles wissen können… . Das war – wie soll ich schreiben – eine ziemlich intensive Lernerfahrung. Die Athmosphäre im grossen Audimax – 800 Kinder passen da rein – ist eine ganz besondere. Die Kinder kommen quirlig an und sind ganz gespannt, was da nun gleich passieren wird. Ihre Augen leuchten und sie sind ganz aufgeregt. Das letzte Mal hatte ich gefragt, wer mir vorne assistieren möchte. Wenn ich bei den Studierenden sonst üblicherweise in diesem grossen Hörsaal eine Frage stelle, geht kaum ein Finger hoch. Zu gross ist die Angst, einen Fehler zu machen oder sich zu blamieren. Bei den Kindern ist das ganz anders. Fast alle haben sich gemeldet, sich fast den Arm rausgerissen, um auf sich aufmerksam zu machen – bitte nimm mich mit nach vorne – ich will gerne etwas ausprobieren. Wie schön wäre es, wir könnten diese unbekümmerte Neugierde doch halten…
Im Zeitalter von Gamification versuche ich dieses Mal die Vorlesung spielerisch aufzuziehen – hier eine Preview:
Und dann haben wir noch einen Special Guest – einen Experten, der einfliegen wird. Na? Wer versteckt sich wohl dahinter? Auflösung folgt:
Kinderuni findet statt am kommenden Mittwoch, 19. November, 15 bis 15.45 Uhr!
Unser Sohn (9 Jahre) und seine Freunde werden dabei sein – also nochmal was ganz Besonderes für mich :-)))
Freue mich riesig auf alle Kinder!
Erfolgreiche Bildungs-Programm-Entwicklung: ein Fallbeispiel
John Hudepohl ist im Leitungsteam der “Software Development Improvement Initiative” bei ABB. In einem Beitrag für das ATD-Magazin T+D hat er einen Erfahrungsbericht zu einem umfangreichen Bildungsprogramm zur Qualifizierung von Software-Ingenieuren veröffentlicht. Ich fand den Bericht interessant – hier einige zentrale Punkte dazu.
Ausgangsssituation
Die Qualifizierung der mehreren Tausend Software-Ingenieure, die bei ABB in mehr als 50 Ländern tätig sind, erfolgte bis 2011 sehr dezentral. Gleichzeitig wuchs das Unternehmen sehr stark und die Bedeutung von Software-Komponenten für die Kernprodukte des Unternehmens nahm ebenfalls zu. Das Projektteam von John Hudepohl erhielt den Auftrag, hier auf mehr Standardisierung (z.B. bezüglich der Umsetzung von Software-Entwicklungsprozessen) hinzuarbeiten.
Bausteine der Lösung
Nach einer ersten Problemanalyse wurden 3 zentrale Leitplanken für das zu entwickelnde Bildungsprogramm (“Software Development Improvement Program, SDIP)” gesetzt:
- Um die erforderliche Vereinheitlichung sicher zu stellen, muss die Entwicklung von Trainingsangeboten inhouse erfolgen.
- Um die Trainingsangebote kostengünstig umsetzen zu können, stehen Webinare und WBT im Vordergrund.
- Um die neuen Angebote ausreichend zeitnah umsetzen zu können, muss für das Learning Design die Zusammenarbeit mit externen Partnern gesucht werden.
Auf dem Weg zur Umsetzung
Von wem sollen so viele neue Angebote entwickelt werden?
Insgesamt wurden im Rahmen des Programms über 100 (online) Kurse und 180 Webinare entwickelt und umgesetzt. Die intern bei ABB verfügbaren Lernspezialisten waren mit der Entwicklung von Lernlösungen für ABB-Kunden bereits ausgelastet. Und wenn man die intern verfügbaren Fachexperten mit der Entwicklung von Lernumgebungen beauftragt hätte, wäre dies nicht nur sehr teuer geworden; es wäre auch fraglich gewesen, ob das Entwickeln von Lernlösungen bei dieser stark nachgefragten Gruppe die erforderliche Priorität gehabt hätte. Der schliesslich gewählte Weg war die Einbindung von externen Lernmittelgestaltern und Moderatoren für die Webinare, denen die internen Fachexperten als Berater zur Seite gestellt wurden. Auf diesem Weg konnte auch die stark schwankende Arbeitsmenge für die Lernmittelgestalter aufgefangen werden.
Wie soll das Curriculum aussehen?
In intensiven Gesprächen mit den verschiedenen Geschäftsbereichen wurden die thematischen Zuschnitte (z.B. Lasten- / Pflichtenhefte erstellen, Software-Architektur gestalten, Software-Prüfung, etc.) und sinnvolle Abfolgen von Modulen erarbeitet.
Wie sollen die einzelnen Module entwickelt werden?
Um eine möglichst zeitnahe Entwicklung der einzelnen Module zu erreichen, wurde auf einen agilen Entwicklungsprozess (im Sinne von rapid prototyping) gesetzt. Kursmaterialien wurden vor einer Pilotierung in einem Kurs in insgesamt drei Review-Zyklen überprüft (u.a. auf fachliche Korrektheit und Vollständigkeit). Dabei arbeiteten die Lernmittelgestalter sehr eng mit den internen Fachexperten zusammen. Im Vergleich zu einem typischen ADDIE-Prozess (Entwicklungszeit ca. 3 Monate pro Modul) konnten etwa 30% Entwicklungszeit eingespart werden.
Teilnahme sicher stellen
Es war allen Beteiligten klar, dass die Anmeldungen aus der Zielgruppe die entscheidende Hürde auf dem Weg zum Erfolg des Programms sein würden. Für das erste Jahr waren als Ziel 2’500 Anmeldungen zu den verschiedenen Modulen festgelegt. Dieses Ziel wurde deutlich übertroffen. Dabei wurde auf die folgenden Aspekte besonderes Augenmerk gelegt:
- Sorgfältige Terminplanung
Es wurde sicher gestellt, dass für jede Zeitzone ein Termin zu regulären Bürozeiten angeboten wurde. Montage und Freitage wurden vermieden und es wurde um die Feiertage in wichtigen Regionen (z.B. USA, Europa, Indien) herum geplant. - Professionelle Kundenbetreuung
Für die Betreuung der Anmeldungen und der Teilnehmenden wurde eine separate Kraft vollzeit eingesetzt. - Bildungsmarketing
Bei der Kommunikation des Angebots wurden nicht nur, wie üblich, die Führungskräfte angesprochen, sondern auch systematisch Email-Adressen der Teilnehmenden gesammelt und konsolidiert (mit Einverständnis der Beteiligten). Und das sorgfältige Formulieren von griffigeren Betreff-Zeilen, beispielsweise, führte zu einer Erhöhung der Klick-Rate auf die Info-Emails von 27% auf 36%. Gleichzeitig wurde kommuniziert, dass die Kurse nur für eine bestimmte Zeit angeboten würden, um auch auf diese Weise ein Gefühl der Dringlichkeit bei der Zielgruppe zu stärken.
Ergebnisse aufzeigen und Finanzierung sichern
Das gesamte Programm wird jeweils für das nächste Jahr aus den Budgets der verschiedenen Divisionen von ABB finanziert. Dies reduziert die dazu erforderlichen Verhandlungen auf einen Zeitpunkt im Jahr. Da die Divisionen sehr unabhängig agieren, war die Unterstützung der Leitungsebene der jeweiligen Divisionen zentral für die weitere Durchführung. Um diese Unterstützung nachhaltig zu gewährleisten, wurde für jede Division aufgezeigt, wie viel sie in das Programm eingezahlt hatte und wie viel Gegenwert sie durch Teilnahmen daraus bezogen hat (z.B. 30% Kostenbeteiligung, 23% Teilnahmen). Indem diese Zahlen transparent gemacht wurden, wurde auch von den verschiedenen Führungsebenen der Divisionen darauf gedrängt, dass die Angebote des Programms von den Mitarbeitenden genutzt werden. Darüber hinaus wurden die üblichen Aktivitäten zur Evaluation (Ebene Teilnehmenden-Zufriedenheit) durchgeführt.
scil on tour: Exkursion zu CYP (Zürich) zum Thema "Mobiles Lernen"
Letzte Woche waren wir im Rahmen unserer jährlichen Exkursion („scil on tour“) zu Gast beim CYP, dem Kompetenzzentrum für die bankfachliche Grundbildung in Zürich. Rahmenthema des Tages war „Mobiles Lernen“.
Unser Ausgangs- und Startpunkt war eine kurze Präsentation mit Daten zur Nutzung und Verbreitung von mobilen Endgeräten sowie einer kurzen Zeitreise zu mobilem Lernen in den letzten ca. 10-15 Jahren. Im Anschluss an diese erste Orientierung haben wir die Lernräume von CYP bei Puls 5 in Zürich besichtigt, die mit offenen, in verschiedene Zonen gegliederten Lernräumen den einfachen und schnellen Wechsel zwischen verschiedenen Aktivitäten gut unterstützen. Dabei berichteten die Geschäftsführerin, Alexia Böniger, und ein Berufslernender, Reto Purtschert, über die Einführung und Entwicklung von mobilem Lernen bei CYP.
Das 2007 entwickelte pädagogische Konzept von CYP stellt auf „Connected Learning“ ab. Es vereinigt vier didaktische Prinzipien (selbstgesteuertes, integriertes, problemorientiertes und kooperatives Lernen) und basiert auf einer konstruktivistischen Grundauffassung von Lernen. Im Jahr 2011 wurde das bis dahin verwendete, circa 1‘500 seitige Lehrmittel durch ein E-Book und eine Lern-App ersetzt. Die technische Plattform für mobiles Lernen bilden seither Tablet-PCs (10“ Bildschirmgrösse) auf der Basis des Android Betriebssystems (aktuell Version 4.2.1).
Alexia Böniger stellte in ihrem Beitrag heraus, dass die Umsetzung von mobilem Lernen bei CYP vor allem ein grosses Veränderungsprojekt darstellt. Dieser Veränderungsprozess wird unter anderem von der Universität Zürich wissenschaftlich begleitet und Alexia Böniger stellte erste Ergebnisse der noch laufenden Untersuchungen vor.
Es zeigt sich, dass weder die Gültigkeit des didaktischen Leitbilds von CYP noch die Qualität der Lernmaterialien durch den Transfer vom Medium Papier in ein elektronisches Medium und die Nutzung über Tablet-PCs beeinträchtigt werden (vgl. Bildschirmfotos; Quelle: CYP). Aber es genügt nicht, die bestehenden Inhalte 1:1 in einem neuen Medium (E-Book, Übungen, etc.) abzubilden. Vielmehr müssen die Unterlagen gezielt angepasst werden. Zum Beispiel im Fall von Lösungsblättern zu Übungsaufgaben. Die Lösungsblätter sollen den Lernenden jederzeit zur Verfügung stehen (Flexibilität). Dies führt unweigerlich dazu, dass die Lernenden der Verlockung ausgesetzt sind, die Lösungsblätter vorschnell zu konsultieren. Dem wird mit einem zusätzlichen Eingabefeld („meine Erkenntnis“) begegnet, in das die Lernenden eintragen sollen, welche Einsichten sich für Sie aus dem Abgleich der Musterlösung mit ihrer eigenen Lösung ergeben. Auf diese Weise wird von den Lernenden nicht nur eine Lösung, sondern auch eine kurze Reflexion zur (wie auch immer erarbeiteten) Lösung gefordert.
Nicht nur die Übungen im Verlauf des Unterrichts und die Standortbestimmungen im Verlauf der Ausbildung, sondern auch die Abschlussprüfungen werden mit den Tablet-PCs durchgeführt – letztere allerdings unter Aufsicht. Insbesondere bei Prüfungen sind die Anforderungen an die Zuverlässigkeit einer technischen Arbeitsumgebung besonders hoch. Insgesamt ist dies bei CYP technisch gut gelöst. Die Prüfungen werden zu Beginn heruntergeladen und stehen danach offline zur Verfügung. Nach Beendigung der Prüfung wird sie wieder hochgeladen. Die vom Prüfling erfassten Daten werden in jedem Fall gespeichert. Sollten Verbindungsprobleme zum WLAN bestehen und ein Hochladen nicht möglich sein, sind die Daten zwischengespeichert und können auch zu einem späteren Zeitpunkt wieder hochgeladen werden. Allerdings kann es dennoch in seltenen Fällen zu technischen Problemen kommen (z.B. der Cursor ist nicht mehr zu sehen, der Prozess / Treiber / Tablet-PC muss neu gestartet werden). Hier sind die Lernenden gefordert, sich bei der Prüfungsaufsicht zu melden, so dass das Problem behoben werden kann. Die verlorengegangene Zeit wird den Lernenden gutgeschrieben.
Das intensive Lernen und Arbeiten mit Tablet-PCs stellt neue Anforderungen hinsichtlich der Medienkompetenzen sowohl an die Lernenden als auch an die Lehrpersonen. Die laufenden Untersuchungen zeigen, dass die Medienkompetenz der Lernenden nicht durchgängig so weit entwickelt ist wie die verbreitete Diskussion über eine „Generation Y“ vermuten lässt. Zwar verfügen ungefähr 98 Prozent der Lernenden über ein Smartphone, doch nur circa 10 Prozent verfügen über hohe Medienkompetenzen beziehungsweise gut entwickelte Lern- und Arbeitsstrategien in digitalen Lernumgebungen. Viele Lernende haben noch Mühe mit der sinnvollen und flüssigen Nutzung der Tablet-PCs in verschiedenen Lernsituationen. Allerdings zeichnen sich diesbezüglich bereits Jahrgangseffekte ab. Offenbar wird zwischen den einzelnen Lernenden-Kohorten viel Erfahrungswissen weitergegeben.
Eine relevante Rahmenbedingung für das „Sich-Einlassen“ auf die neue Lernumgebung und die Entwicklung von Medienkompetenz sind die Besitzverhältnisse bzw. Verfügungsrechte. Ursprünglich hatte CYP die Tablet-PCs den Lernenden nur als Leihgeräte zur Verfügung gestellt. Mittlerweile ist CYP dazu übergegangen, die Geräte als persönlichen Besitz an die Lernenden zu übergeben. Diese können jetzt ihre Tablets personalisieren – beispielsweise indem sie selbst Apps installieren. Dies führt zu einer intensiveren Nutzung der Geräte, da diese vermehrt auch für private Zwecke eingesetzt werden.
Innovativ zeigt sich CYP auch im Hinblick auf die Entwicklung von neuen Rollen bei den Lernenden. So wurde die Bildung einer Gruppe von „Tablet Scouts“ gefördert, die sich in besonderer Weise für das mobile Lernen mit Tablet-PCs interessieren und dessen Weiterentwicklung unterstützen wollen. Die Tablet Scouts suchen und entdecken beispielsweise neue Apps (etwa für das schnelle Erstellen und Organisieren von Notizen im Lernprozess) und tragen so zum Aufbau von Medienkompetenz und zur Weiterentwicklung der Lernumgebung bei.
CYP hat die Erfahrung gemacht, dass die Einführung von mobilem Lernen ein grösserer Veränderungsprozess war als anfänglich gedacht. So musste beispielsweise auf Seiten der Lehrpersonen mit Widerständen und Sorgen vor einer Abwertung von bisherig wertvollen Lehr-Kompetenzen umgegangen werden. Lehrpersonen müssen sich nach wie vor gut auf die Lernsituationen vorbereiten, damit sie in der Lage sind, kritische Punkte etwa bei der Bearbeitung von Übungsaufgaben zu beobachten. Dies kann auch beinhalten, gezielt in die Tablets / Aufgabenblätter der Lernenden hineinzuschauen und dort zu blättern bzw. zu scrollen. Da die Tablets ebenfalls für Privatzwecke genutzt werden, stellen sich hierbei Fragen bezüglich des Umgangs mit Privatsphäre. So wird bei CYP allen Beteiligten kommuniziert, dass die Lehrpersonen bei der Bearbeitung von Übungen auf die Tablets schauen müssen und es wird so vermieden, dass dies als Eingriff in ihre Privatsphäre erlebt wird.
Insgesamt bringt die Digitalisierung der Lernumgebung und der Lernmaterialien bei CYP viele Vorteile mit sich. Neu ist das Lernen örtlich viel flexibler. Auch ist das Lehrmittel dank halbjährlichen Updates flächendeckend stets auf einem aktuellen Stand. Trotz dieser Aktualisierungen bleiben alle persönlichen Eintragungen wie etwa Markierungen oder Notizen der Lernenden bestehen. So werden die Lernenden nicht nur beim Herumtragen von umfangreichen Lernmaterialien entlastet, sondern sie können auch stets mit aktuellen Materialien arbeiten.
Allerdings gibt es auch technische Herausforderungen, die zu bewältigen sind. Die von CYP genutzte Lern-App ist eine komplexe Applikation, welche ein reibungsloses Zusammenspiel von Betriebssystem, programmierter App und digital aufbereiten Lerninhalten erfordert. Bereits kleine Versionsänderungen beim Betriebssystem (z.B. beim Wechsel von Android 4.2 auf 4.2.1) können zu Problemen bei der Nutzung von Inhalten führen. Hier erweist es sich als wichtig, über ein stabiles Partner-Netzwerk (App-Entwicklung, Support zum Operating System und zur eingesetzten Hardware, Inhalte-Lieferant) zu verfügen, das dann bei solchen Problemstellungen koordiniert aktiv werden kann.
Neben technischen Herausforderungen auf der Ebene des Gesamtsystems stellen sich auch Herausforderungen bei der Gestaltung der Benutzeroberfläche. Insbesondere im Hinblick auf die folgenden Aspekte gibt es noch Potenzial für Verbesserungen:
- Texteingabe in Dialogfeldern (gelegentlich werden Dialogfelder durch die virtuelle Tastatur verdeckt);
- Erstellen und Verwalten von Notizen zu durchgearbeiteten Texten und anderen Lernaktivitäten;
- Organisieren und Wiederfinden von Lerninhalten;
- Möglichkeit der Nutzung / Bearbeitung von zwei Dokumenten gleichzeitig (split-screen Modus).
Im zweiten Teil des Tages fand nachmittags ein Workshop mit den Teilnehmenden zu Aspekten der Ausgestaltung von mobilem Lernen statt. Anhand eines selbst gewählten Fallbeispiels erarbeiteten diese in Arbeitsgruppen zentrale Zielsetzungen zur Einführung / Weiterentwicklung von mobilem Lernen.
Das Rahmenmodell, das wir in einer angepassten Form den Teilnehmenden hierfür zur Verfügung stellten, haben wir ja bereits in einem anderen Blogbeitrag vorgestellt. Es umfasst sechs zentrale Gestaltungsfelder:
- Definition von Zielsetzungen & Zielgruppen
- Definition von Inhalten
- Gestaltung der Benutzeroberfläche
- Definition & Integration von verschiedenen Informationskanälen
- Regelung des (sicheren) Zugriffs auf Datennetzwerke
- Optimierung der Lernumgebung für definierte Typen von Endgeräten
Schon vor dem Workshop war mir klar geworden, dass dieses Rahmenmodell Aspekte der didaktischen Gestaltung ausblendet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen im Rahmen des Workshop-Tages bei CYP kann dieses Rahmenmodell um zwei weitere Gestaltungsaspekte erweitert werden, die insbesondere (medien-)didaktische Aspekte adressieren:
- Konfiguration der gesamten Lernumgebung (z.B. Wechsel zwischen verschiedenen Lehr-/Lernaktivitäten mit unterschiedlichen Formen der Nutzung von mobilen Endgeräten)
- Entwicklung von Medienkompetenzen (bei Lernenden und Lehrenden)
Für das Fallbeispiel CYP kann dieses erweiterte Rahmenmodell wie folgt (selektiv) ausgefüllt werden:
1) Zielsetzungen und Zielgruppe |
Was sind die übergeordneten Zielsetzungen? Welche Zielgruppe(n) stehen im Mittelpunkt?Entwicklung von Fachkompetenzen und überfachlichen Kompetenzen (u.a. Medienkompetenzen) v.a. bei Auszubildenden im Bankfach. |
2) Inhalte |
Welche Inhalte sollen Bestandteil des Lernarrangements sein? Wie sollen die Inhalte erstellt werden?Lerninhalte gemäss Ausbildungsplan; Abbildung des Standard-Lehrwerks als eBook durch einen externen Partner; Übungen für Einzel- & Gruppenarbeiten; etc. |
3) Benutzeroberfläche |
Wie soll die Benutzerumgebung / die Benutzeroberfläche gestaltet sein?Entwicklung einer integrierten CYP Lern-App mit umfangreichen Funktionalitäten. |
4) Informationskanäle & deren Integration |
Wie sollen verschiedene Informationskanäle (Webauftritt, LMS, Intranet, etc.) integriert werden?Lern-App als zentraler Kanal und einzelne ergänzende Apps (als Empfehlungen) für Lernende von Seiten CYP. |
5) (Sicherer) Zugriff auf Netzwerke |
Wie soll der (sichere) Zugriff auf Datennetzwerke erfolgen?Zugriff auf & Aktualisierung von Inhalten via W-LAN; Fern-Administration der Endgeräte (OS-Update). |
6) Optimierung für Endgeräte(-Typen) |
Welche Endgeräte sollen unterstützt werden?10″-Tablet, Android OS 4.2.1 (Samsung). |
7) Konfiguration der Lernumgebung |
Wie soll die gesamte Lernumgebung / Lernerfahrung ausgestaltet werden? Welche Rolle / Funktion haben Lernaktivitäten mit mobilen Endgeräten im Rahmen der gesamten Lernumgebung?Komplexe Lernumgebung auf der Grundlage von “connected learning”; Konfiguration der Lernaktivitäten auf der Basis detaillierter Modulplanungen. |
8) Medienkompetenzen (Lehrende & Lernende) |
Welche Medienkompetenzen sind erforderlich bzw. müssen entwickelt werden?Weiterentwicklung der Mediennutzung (z.B. Textbearbeitung, Erstellen & Verwalten von Notizen im Tablet auf Seiten Berufslernende). Weiterentwicklung der Lernbegleitung (z.B. fokussierte Überprüfung von Übungsaufgaben im Tablet auf Seiten Lehrpersonen). |
Im Verlauf der Arbeiten und Diskussionen im Workshop wurde den Teilnehmenden bewusst, dass mobile Endgeräte viele Möglichkeiten für die Weiterentwicklung von Lernumgebungen bieten. Allerdings wurde auch deutlich, dass die Umsetzung von mobilem Lernen gründliche Vorüberlegungen und auch Entschlossenheit zur Bewältigung der verschiedenen Herausforderungen erfordert.
Medienkompetenzen in der Berufsbildung – Teil 3: Gibt es „den“ Digital Native?
In den letzten zwei Blogbeiträgen über unsere Studie „Medienkompetenzen in der Berufsbildung“ ging es darum die Sichtweise der Experten (Modell der Expertengruppe BMBF) und der Lernenden (in Form von Ergebnissen aus unserer Befragungen) aufzuzeigen.
Zusammenfassend wird Medienkompetenz im Rahmen der Berufsbildung als Basis verstanden, um einerseits aktiv an einer (digitalen) Gesellschaft (Lebens- und Berufsalltag) teilzuhaben sowie andererseits, digitale Medien zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung nutzen zu können. Die Lernenden selbst schätzen sich im Umgang mit digitalen Medien recht gut ein, wobei sie jedoch Unsicherheiten in den Themenbereichen Datenschutz sowie Informationsbeschaffung sehen. Die Ergebnisse der Einzelfallanalysen unterstützen die formulierten Unterstützungsbedarfe. Zudem konnte aus den Ergebnissen 1. eine Typologie von sechs Auszubildenden und 2. ein Kompetenzmodell für die Stufe Sek II abgeleitet werden. In dem folgenden Beitrag geht es darum zunächst einmal unsere aus den Ergebnissen der Einzelfallanalyse abgeleitete Typologie vorzustellen und der Frage nachzugehen: Gibt es „den“ Digital Native?
Die Typologie zeigt die zentralen Merkmale der sechs Auszubildenden auf und stellt diese in Bezug zu den jeweils eingeschätzten Stärken (aktive Teilhabe) sowie zu ihren Aussagen zum selbstkritischen und reflektierten Umgang mit Medien (Persönlichkeitsentwicklung). Ziel war es so ein Kompetenzraster der Lernenden zu erstellen und zu analysieren welche Schwerpunkte die einzelnen Auszubildenden im Umgang mit digitalen Medien setzten.
Anhand dieser Vorgehensweise wurden sechs unterschiedliche Typen herausgearbeitet, die sich abgesehen von A1 und A4, doch deutlich in ihrem Umgang mit digitalen Medien unterscheiden. Während A3 „die naiv Positive“ digitale Medien eher unreflektiert zur Vereinfachung des Alltag und zur Kommunikation nutzt, weisst insbesondere A6 „die (medien-)bildungsorientierte Nutzerin“, in allen Punkten hohe Skalenwerte auf und zeigt ein hohes Bewusstsein für Gefahren und Chancen im Netz sowie die eigene digitale Reputation.
Unter Betrachtung der oben dargestellten Grafik wird deutlich, dass bei den Befragten teils die aktive Teilhabe an der Gesellschaft (medienkompetentes Handeln) und teils die Nutzung digitaler Medien zur eigenen Persönlichkeitsentwicklung (Medienbildung) im Vordergrund steht. Jeder Auszubildende zeigt unterschiedliche Stärken und Schwächen und der kompetente Umgang mit digitalen Medien ist somit in den jeweiligen Bereichen recht unterschiedlich. So kann es beispielsweise sein, dass jemand der sich gut in der Verwendung von Apps und Social Media Plattformen auskennt und damit nach aussen hin einen kompetenten Eindruck macht, dies nicht reflektiert tut und die Zusammenhänge zwischen virtueller und „realer“ Welt nicht versteht. Was bedeutet dies in Bezug auf unsere eingangs gestellte Frage: Gibt es „den“ Digital Native?
Unseres Erachtens nach können die Ergebnisse der Studie die These zulassen: „Den“ Digital Native gibt es nicht, sondern jeder User hat seine individuellen Stärken und Unterstützungsbedarfe.
"Learning Leaders" – Lernförderlich führen?
„Learning Leaders“ – Lernförderlich führen!
In unserem letzten scil-Seminar zu „Lernförderliche Führungsarbeit“ haben wir versucht, dem Rollenbild des „Learning Leaders“ ein Stück näher zu kommen.
Alle unsere scil-Studien (z.B. scil-Trendstudien, Lernkulturberichte, „Next Generation Leadership Studie“) zeigen, dass Führungskräfte zwar Interesse an der Mitarbeiterentwicklung zeigen, es aber an konkreter Unterstützung vielerorts fehlt. Diese Situation ist insofern prekär, da Führungskräfte nach Erkenntnissen sämtlicher Forschungsgebiete (Transferforschung, Change Management, Lernkulturforschung …) als der zentrale Schlüsselfaktor gelten!
Primäres Ziel in unserem Seminar war es, Führungskräfte zukünftig in ihrer Learning Leader Rolle gut zu unterstützen. Um zu erfahren, wo wir als Learning Professionals ansetzen können, führten alle Teilnehmer im Vorfeld des Seminars Interviews mit ihren Führungskräften durch. Hier sind einige Antworten auf ausgewählte Fragen:
1. Wie gut wird in Ihren Organisationen eine lernförderliche
Führungsarbeit schon gelebt?
Gemäss der Umfrage besteht unter den Seminarteilnehmern ein grosser Handlungsbedarf – aber einzelne Führungskräfte erfüllen die lernförderliche Aufgabe bereits auch schon sehr gut. Hier diskutierten wir mögliche Ursachen: Was machen diese Führungskräfte anders?
Wir kamen in der Gruppe zu dem Ergebnis, dass überwiegend die Einstellung der Führungskräfte entscheidend ist und weniger fehlendes Wissen oder nicht vorhandenes Können eine Rolle spielen. Förderliche Einstellungen von Führungskräften sind beispielsweise:
- „Los-lassen” können: Ich muss als Führungskraft nicht alles wissen, nicht alles kontrollieren, nicht alles selbst tun.
- “Echtes” Interesse an der Weiterentwicklung von Mitarbeitenden zeigen.
- Raum geben, um andere “strahlen” lassen zu können: guten Selbstwert besitzen.
- Andere Wege als die eigenen zur Lösung von Problemen zulassen können.
- Das Können und die Bereitschaft zur Selbst-Reflexion und zur eigenen kontinuierlichen Weiterentwicklung.
Was bedeutet das für uns Learning Professionals? Wir müssen an der Veränderung der Einstellung ansetzen, also Lernmöglichkeiten schaffen, die dazu beitragen, dass Führungskräfte ihre eigenen Bilder und Wertvorstellungen überdenken können und durch ein „positives Selbst-erleben“ als Promotoren in der Organisation agieren können.
In einem weiteren Schritt analysierten wir, weshalb ein Grossteil der Führungskräfte noch unzureichend lernförderlich führen. Ferner entwickelten wir in der Gruppe Hypothesen zur Erklärung der Situation und Gestaltungsansätze für uns Learning Professionals:
- „Führungskräfte haben keine Zeit” – daraus resultiert folgender Handlungsbedarf: Es gilt Verbindlichkeit zu schaffen und damit auch auf der strukturellen Ebene in der Organisation anzusetzen.
- „Führungskräfte wissen nicht wie sie lernförderlich führen können” – für uns bedeutet das: Handlungsmöglichkeiten aufzeigen und bei der Umsetzung unterstützen (Bedarf einer „Toolbox“).
- „Führungskräfte sind sich ihrer Rolle gar nicht bewusst”: Anstatt „missionarisch” versuchen sie von der Wichtigkeit überzeugen zu wollen, lieber Möglichkeiten schaffen, dass sie selbst erleben können, welche Wirkung eine lernförderliche Führungsarbeit haben kann (z. B. Integration des Themas in die Leadership-Ausbildung).
2. „Wie lernen Sie als Führungskraft am liebsten?“
„Durch Coaching“ war hier die Top-Antwort schlechthin! Daraufhin haben wir im Präsenzseminar gemeinsam überlegt, was hinter dem Wunsch nach Coaching stecken könnte. Hier sind einige unserer Hypothesen:
- Wunsch nach Performance Support (direkte Unterstützung „on the job”).
- Unterstützung bei konkreten, realen Problemen.
- Der Wunsch nach einem „Sparring-Partner” im beruflichen Alltag.
- Debriefing bzw. Unterstützung von kritischen Situationen und Ereignissen.
- Die Möglichkeit, persönliche Inhalte in einem vertrauensvollen Setting besprechen zu können.
Für uns Learning Professionals stellt sich die interessante Frage, wie wir diese Elemente in unsere Lerndesigns noch stärker integrieren können.
3. „Wie sieht für Sie das Lernen bei uns in der Zukunft aus? Wovon soll es
weniger, wovon mehr geben?“
Auch hier überwiegt der Wunsch nach individualisierten und erfahrungsbasierten Lernformen (z. B. Workshops, Coaching, Mentoring, Action Learning, Blended Learning …). Weniger vorherrschen sollen beispielsweise mehrteilige Weiterbildungsprogramme und e-Learning (im Sinne eines isolierten Lernelements).
Ausgehend von den Ergebnissen der Interviews haben wir im Seminar verschiedene Handlungsbereiche und Tools angeschaut. Als Rahmenkonzept lag der Ansatz von Fandel-Meyer & Seufert (2013) zu Grunde. Hierbei wird in 4 Handlungsbereiche unterschieden:
Für weitere Informationen zum Rahmenkonzept: Fandel-Meyer, Tanja ; Seufert, Sabine: Führungskräfte als Personalentwickler : Kleine Schritte oder grosser Sprung?. In: Kompetenzentwicklung in unterschiedlichen Lernkulturen – Festschrift für Dieter Euler. Paderborn : EUSL, 2013, S. 443-464.
Anmerkung: Die vier Handlungsbereiche sind in der Praxis nicht als trennscharf zu bewerten. Sie stellen einen Orientierungsrahmen dar, nach dem die Präzisierung der Handlungsoptionen nach unterschiedlichen Blickwinkeln möglich ist.
Aktuell arbeiten wir bei scil an einer „digitalen Toolbox für Learning Leaders“. Hier sollen interessierten Learning Professionals und Führungskräften für jeden der Handlungsbereiche eine Vielzahl an Tools zur Verfügung gestellt werden, um die gelebte Rolle von „Learning Leaders“ in der Zukunft bestmöglich unterstützen zu können.
Medienkompetenzen in der Berufsbildung – Teil 2: Fit für den mediengeprägten Alltag?
In einem Blogbeitrag am 26.09.2014 haben wir bereits über unsere Studie „Medienkompetenzen in der Berufsbildung“ berichtet, welche wir in Zusammenarbeit mit der Schindler Berufsbildung durchgeführt haben. Dabei sind wir zunächst auf die Sicht der Experten und das Modell der Expertengruppe des BMBF eingegangen, um damit eine Möglichkeit aufzuzeigen, Medienkompetenzen zu präzisieren.
Doch was verstehen die Lernenden unter Medienkompetenz und wie schätzen sie ihren Umgang mit digitalen Medien ein? In diesem Zusammenhang möchten wir diesmal einige unserer Ergebnisse vorstellen.
Wie schätzen sich die Lernende anhand eines Online-Fragebogens selbst ein?
Die Lernenden bei Schindler nutzen Medien im betrieblichen und privaten Kontext in ungleich starker Intensität und auf unterschiedliche Art und Weise.
„In und für die Berufsfachschule“ werden digitale Medien eher gelegentlich eingesetzt (Technische Berufe 76%, handwerkliche Berufe 75 %, kaufmännische Berufe 58%). Lediglich bei den kaufmännischen Berufen geben 26 % der Lernenden an, digitale Medien in und für die Berufsschule „intensiv“ zu nutzen.
Digitale Medien werden auch von den Lernenden als eher wenig hilfreich zum Austausch über Ausbildungsthemen oder zur Verknüpfung von Lerninhalten mit der betrieblichen Praxis eingeschätzt. Im Privaten Umfeld allerdings werden Internetsuchmaschinen (85%), Apps (76.3%) und Videoportale (70.4%) als wichtige Lern- und Wissensressourcen genannt.
Alles in allem fühlen sich die Lernenden im Umgang mit digitalen Medien überwiegend gut informiert und vorbereitet, wobei jedoch von den drei Lernorten (Betrieb, Berufsschule, Privat) das private Umfeld insgesamt am besten bewertet wird.
Besonders der Umgang mit Informationen (Beschaffung und Nutzung) wird von den Lernenden eher positiv wahrgenommen. Sie wissen wo sie Informationen, die sie benötigen finden können oder wen sie möglicherweise fragen müssen. Privat recherchieren die Lernenden eher weniger zielorientiert und meistens mit der Hilfe von Google. Bei der Anwendung konkreter Suchstrategien und dem kritischen Prüfen von Informationen und Quellen geben die Auszubildenden sogar selbst Unsicherheiten und Kompetenzdefizite zu.
Am meisten Informationen und Unterstützung im Umgang mit digitalen Medien erhalten die Befragten durch das Elternhaus. Auch Schule und Betrieb nehmen hierbei einen hohen Stellenwert ein. Überraschend ist als Ergebnis zu nennen, dass die Jugendlichen sich über ihren Freundeskreis eher weniger informiert fühlen (auf Rang 4) und am wenigsten, wenn sie sich alleine mit den Möglichkeiten digitaler Medien auseinander setzen (Rang 5).
Was verstehen die Lernenden unter dem Begriff Medienkompetenz?
Um dies zu beantworten, sollten die Lernenden 1. ihre Vorstellung von Medienkompetenz anhand eine mental Frames visualisieren, 2. in einer SWOT-Analyse Gefahren und Chancen digitaler Medien in Bezug auf eigene Stärken und Schwächen aufzeigen und 3. auf Grund beschriebener Fallsituationen eigene Handlungsstrategien schildern.
- In der Gesamtwertung zeigen die meisten Jugendlichen ein eher verkürztes, pragmatisches, technokratisches Verständnis von Medienkompetenz (Beherrschen von IT-Programmen, Betonung auf Fertigkeiten).
- Bei der Chancen-Gefahren-Analyse erkennen die Lernenden relevante Gefahren, mit denen sie (nach eigener Einschätzung) mehr oder weniger gut umgehen können. Nur wenige (einer) sieht auch eine Chance, die er nicht nutzen kann.
- Die Informationssuche nimmt sowohl auf der Seite der Chancen (6 von 6) als auch der Gefahren (3 von 6) einen hohen Stellenwert ein. Zum einen bietet das Internet durch die Vielzahl von Informationen „auf jede Frage eine Antwort“ und macht es zum anderen gleichwohl schwieriger die richtige zu finden.
- Digitale Medien bieten (4 von 6) Möglichkeiten den Alltag privat und im Berufleben zu erleichtern. Gefahren werden sie im Zusammenhang mit den Themen Sicherheit und Datenschutz (4 von 6).
Der Umgang mit Informationen wurde in einer der vier Fallsituationen aufgegriffen und die Frage gestellt: „Stell dir vor, H&M führt ein neues Informationssystem ein. Wer sollte über die Produktinformationen bestimmen?“
Anhand der Antworten lässt sich auf eine relativ unkritische Haltung und ein geringes Problembewusstsein gegenüber Informationsquellen schliessen. Händler geniessen grosses Vertrauen der Auszubildenden und die Öffentlichkeit als Kontrollinstanz schafft die erforderliche Transparenz, falls eine Information nicht richtig sein sollte.
Somit ist die auch von den Lernenden selbsteingeschätzte Unsicherheit im Umgang mit Informationen wohl nicht ganz unberechtigt und bedarf Unterstützung.
Mobiles Lernen: CYP auf dem Weg zum digitalen Lernbegleiter
Das CYP ist das Ausbildungs- und Kompetenzzentrum für die bankfachliche Grundbildung. Die Institution CYP wurde 2003 durch die grössten Schweizer Banken in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Bankiervereinigung gegründet. Mittlerweile bietet CYP neben überbetrieblichen Kursen im Rahmen der beruflichen Grundbildung Lehrgänge für Mittelschulabsolventen und Praxisausbilder sowie innovative Weiterbildungsangebote für Erwachsene an.
Die Angebote von CYP basieren auf einem Bildungskonzept, das Lernen nicht als Vermittlung von Fachwissen auffasst, sondern Lernen als einen individuellen, selbstgesteuerten und ganzheitlichen Wissensaneignungsprozess versteht. Neben der Befähigung zu beruflichem Handeln zielt dieses Konzept auch auf die Förderung der Selbstaneignungsstrategien und die individuelle Reflexionsfähigkeit. Mit dem Begriff „Connected Learning“ werden zentrale didaktische Grundprinzipien für die Angebote von CYP zusammengefasst:
- selbstgesteuertes Lernen und Verantwortung für den eigenen Lernweg
- kooperatives Lernen voneinander und miteinander
- problemorientiertes Lernen anhand praxisrelevanter und aktueller Problemstellungen
- integriertes Lernen durch die bewusste Gestaltung eines abgestimmten Mix verschiedener Lehr- und Lernformen.
Eine ausführlichere Darstellung des Bildungskonzepts von CYP findet sich hier.
Mit dem Enhanced eBook 2.0 wurde in 2013 das bisherige, Papier-basierte Lernmittel (Ordner mit ca. 1‘000 Seiten Inhalt) durch ein elektronisches Lernmittel auf der Grundlage von Tablet-PCs abgelöst. Seither sammelt CYP Erfahrungen mit der Umsetzung und Unterstützung von Lernprozessen durch mobile Endgeräte.
Aktuell sieht sich CYP auf dem Weg zum „digitalen Lernbegleiter“. Dabei stehen zwei Aspekte im Vordergrund:
- Die Unterstützung der Lernenden, die mit digitalen Lernmitteln lernen und arbeiten. Hier geht es insbesondere um die Entwicklung der erforderlichen Medienkompetenzen – zum Beispiel bezüglich der Funktionalitäten des digitalen Lernmittels; zum Beispiel bezüglich der effizienten Gestaltung der eigenen Lernprozesse; oder auch bezüglich der Selbststeuerung beim Lernen und des Umgangs mit Ablenkungen.
- Die Entwicklung der Lehrpersonen. Auch diese sind mit mobilen Endgeräten unterwegs und müssen sich entsprechende Medienkompetenzen aneignen – sowohl im Hinblick auf die eigene Arbeit als auch im Hinblick auf die Begleitung und Unterstützung der Lernenden.
Am 22. Oktober findet im Rahmen der scil Learning Days eine Exkursion zum CYP nach Zürich statt. Die Themen für diesen Exkursions- und Workshoptag sind die folgenden:
- Mobiles Lernen: eine erste Orientierung
- CYP auf dem Weg zum digitalen Lernbegleiter
- Mobiles Lernen: Fallbeispiele
- Mobiles Lernen: Handlungsfelder und Herausforderungen
Die Anmeldung zur Exkursion ist über diese Seite möglich.
Medienkompetenzen in der Berufsbildung – Teil 1: Was bedeutet das eigentlich?
Digitale Medien und das Internet als umfassendes Informations- und Kommunikationssystem gewinnen zunehmend Einfluss auf alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens. Sowohl in privaten, schulischen wie auch beruflichen Kontexten sind sie stetig präsent und Teil der Lebenswelten von Heranwachsenden und Jugendlichen.
Auf der einen Seite scheinen Jugendliche die versierten Mediennutzer zu sein, die sich wie selbstverständlich neue IT-Anwendungen aneignen. Auf der anderen Seite wird insbesondere von Lehrpersonen und Ausbildungsbetrieben bemängelt, dass Jugendliche häufig unkritisch Medienprodukte nutzen und sich unreflektiert in virtuellen Räumen bewegen. Es wird verstärkt gefordert Medienkompetenz – als verantwortungsbewusster und kompetenter Umgang mit digitalen Medien zu fördern, wobei jedoch grosse curriculare Unklarheiten darüber herrschen, welche Schwerpunkte bei Medienkompetenzen gesetzt werden sollen.
Wie kann also Medienkompetenz verstanden werden? Wie ist die Sicht der Experten und unterscheidet sich diese von der Perspektive der Lernenden? Und welche Möglichkeiten eröffnen sich, Medienkompetenzen auf der Stufe SEK II berufsübergreifend zu fördern?
Diesen Fragen wollten wir nachgehen. Gemeinsam mit derSchindler-Berufsbildung führten wir hierzu ein Forschungsprojekt durch. 160 Lernende wurden anhand eines Online-Fragebogens gebeten ihren Umgang mit digitalen Medien selbst einzuschätzen. Zudem haben wir Einzelfallanalysen durchgeführt, um die Perspektive der Jugendlichen tiefgehender zu ergründen und Unterschiede zur Expertensicht zu untersuchen.
In den nächsten Wochen werden wir in einigen Blogbeiträgen die wichtigsten Ergebnisse kurz vorstellen. Zunächst erfolgt jedoch ein Beitrag zur Medienkompetenz aus der Sicht der Experten.
Die Sicht der Experten
Ein Beispiel Medienkompetenz theoretisch zu präzisieren bietet das Modell der Expertenkommission des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF, 2010). Diese benennen vier Themenfelder: Information & Wissen, Kommunikation und Kooperation, Identitätssuche und Orientierung sowie Digitale Wirklichkeit und produktives Handeln, welche sie wie folgt erläutern:
- Information und Wissen:
Aufgrund des erweiterten und schnellen Zugangs zu einer Vielzahl von Informationen wird von den Heranwachsenden eine aktive Teilnahme an den Informationsprozessen gefordert. Im Themenfeld „Information und Wissen“ sind Kompetenzen zusammengefasst, welche dazu befähigen sich einerseits selbständig und reflektiert Information und Wissen anzueignen und anzuwenden und andererseits aktiv an der Gestaltung und Weitergabe von Informationen zu beteiligen. Kernkompetenzen sind hier, den eigenen Informationsbedarf zu erkennen, geeignete Informationsquellen und Informationen auszuwählen und diese kritisch zu beurteilen. Ziel ist es sich aktiv am Informationsprozess zu beteiligen und diesen selbstverantwortlich zu gestalten und zu organisieren.
- Kommunikation und Kooperation
Der zunehmende Einfluss von virtuellen Welten auf alle Lebensbereiche (Schule, Betrieb, privates Umfeld) erfordert für einen medienkompetenten Umgang, zum einen ein ausreichendes Wissen über die Funktionen und Strukturen von virtuellen Kommunikationsräumen und zum anderen ein sozial-verantwortliches Handeln aller Beteiligten. Virtuelle Welten sollen dazu genutzt werden können, gemeinsam kollektive Ziele zu erreichen und gemeinsam mit und voneinander zu lernen. Dabei geht es darum unterschiedliche Perspektiven und Räume zu akzeptieren und Persönlichkeits– als auch Patentrechte zu wahren. Zudem beinhaltete dieses Themenfeld sich aktiv bei der Entwicklung, Erstellung und dem Erhalt von Internet-Produkten zu beteiligen.
- Identitätssuche und Orientierung
Bei gleichzeitig hoher Bedeutung technischer Innovationen für die Wirtschaft, sind technische Berufe häufig bei jungen Arbeitnehmern nur wenig attraktiv. Zudem haben virtuelle Umgebungen einen hohen Einfluss auf deren Identitätssuche und Orientierung von Heranwachsenden. Daher gilt es einerseits das veraltete Bild technischer Berufe zu erneuern und andererseits eine bewusste Auseinandersetzung und Reflexion eigener Erfahrungen im Umgang mit Medien sowie die Entwicklung eines Selbstbildes in diesem Raum zu unterstützen. Digitale Medien sollen als Chance begriffen werden, diese für die Persönlichkeitsentfaltung, Identitätsentwicklung, für die aktive Teilhabe an der Gesellschaft und für selbstbestimmte Lernprozesse nutzen zu können.
- Digitale Wirklichkeiten und produktives Handeln
Die vierte Dimension berücksichtigt die Verknüpfung stofflich-physischer bzw. realer und digitaler Wirklichkeiten. Um in beiden Welten erfolgreich agieren zu können, ist ein Verständnis über die spezifischen Zusammenhänge beider Welten wie auch das Wissen in welcher Art und Weise Medien- und IT- Systeme anzuwenden sind notwendig. Dies setzt nach der Expertengruppe voraus, sich selbstständig über komplexe IT-Anwendungen zu informieren und diese sich selbstständig anzueignen. Ausserdem steht in diesem Themenfeld die Entwicklung eines Medialitätsbewusstseins im Vordergrund, d.h. die Vermittlungsprozesse zwischen virtuellen und stofflichen Wirklichkeit zu verstehen und sowohl Chancen als auch Risiken von IT-Produkten einschätzen zu können. produktives Handeln bezieht sich darauf multimediale Ausdrucksformen zu beherrschen und zur Herstellung und Gestaltung von Medieninhalten und -formen zu verwenden.
Ein medienkompetentes Individuum ist danach in der Lage, Medien einerseits zur persönlichen Weiterentwicklung und Orientierung zu nutzen und zugleich den sich aus dem kulturellem Wandel und veränderten Arbeitsbedingungen resultierenden Anforderungen, wie beispielsweise der durch Technologien erweiterte Informationsbeschaffung, gerecht zu werden. Dabei besteht die Herausforderung darin, eigene Kenntnisse und Fähigkeiten selbstständig gemäss den Anforderungen entsprechend weiter zu entwickeln, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können.
Von diesem Verständnis ausgehend ist das Ziel von Medienbildung, Individuen allgemein und im beruflichen Kontext zu einem „wissenden“, selbstverantwortlichen, kritisch und reflektierten Medienhandeln zu verhelfen und sie dabei zu unterstützen Medien aktiv zur eigenen Orientierung und Persönlichkeitsentwicklung zu nutzen. Medienbildung kann dem nach als oberstes Ziel verstanden werden, wobei Medienkompetenz die Voraussetzung (Fähigkeit und Bereitschaft) darstellt, welche ein eigen- und sozialverantwortliches Handeln ermöglichen.
Allgemeine Bildungsinstitutionen und die Berufsbildung übernehmen hierbei eine wichtige Funktion. Die bisherigen Aus- und Fortbildungsordnungen fokussieren häufig eher die technische Nutzung von Kommunikations- und Informationstechnologien Vielmehr sollten neben technischen auch ökonomische, rechtliche, soziale und ethische Aspekte berücksichtigt werden.