Dieser Beitrag entstand im Rahmen eines Interviews von Claudia Schmid (Redaktion HSG Fokus) mit mir und ist im aktuellen HSG Magazin zum Thema “Leistung” erschienen:
Berufliche Bildung: An den VUCA Welten führt kein Weg vorbei
Welche Leistungen sind in den neuen Arbeits- und Lernwelten gefragt? Und was muss sich in den Bildungsinstitutionen ändern, damit die Jugendlichen für ihren Berufseinstieg gerüstet sind? «Es führt kein Weg an den VUCA Welten vorbei», sagt Sabine Seufert, Direktorin des Instituts für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien an der Universität St.Gallen.
Die Arbeitswelt verändert sich grundlegend und mit ihr zwangsläufig auch die Anforderungen an die Berufswelt. «Es geht nicht allein darum, dass die Zukunft digital ist. Die Veränderungen werden viel elementarer sein», betont Sabine Seufert, die im vergangenen Herbst an einer Tagung der 28 europäischen BildungsministerInnen einen Impulsvortrag mit dem Titel «Zukunft Berufsbildung – Paradigmenwechsel in der Berufspädagogik: Flexibler – agiler – digitaler?» hielt.
Neue Arbeitswelten erfordern neue Lernwelten
Die Professorin für Wirtschaftspädagogik erinnert an das Zeitalter der Industrialisierung. So wie das Lernen heute organisiert sei, habe zu den Arbeitswelten der industriellen Revolution gepasst. «Man ging von einem Standardmodell aus, das für Standard-Lernende konzipiert war.» Das Konzept «one size fits all» aber passe nicht mehr zu den neuen Arbeitswelten, die zwingend neue Lernformen erforder?en.
Laut Sabine Seufert geht es um viel mehr als nur das «Digitale» oder «online». «Die digitale Zukunft ist smart», betont sie. Und was heisst das für die Bildungseinrichtungen konkret? Die neuen Lernwelten würden sich dadurch auszeichnen, dass sie hochgradig personalisiert und zugeschnitten auf die Bedürfnisse der Lernenden seien. Die Digitalisierung – vor allem die Künstliche Intelligenz – könne dabei neue Organisationsformen unterstützen. «Lernende lernen mit «smarten Maschinen» in Teams, Lehrpersonen arbeiten mit starken digitalen, smarten Instrumenten, um selbstorganisiertes Lernen zu unterstützen, Inhalte kommen von Computer-Kollegen», beschreibt die Professorin die neuen Lernwelten.
Durch das Miteinander Lösungen finden
In einer Zeit, in der die Maschinen immer mehr Aufgaben übernehmen würden, könne sich der Mensch vermehrt auf jene Kompetenzen konzentrieren, welche ihn auszeichneten. «Es gilt die Fähigkeiten zu entwickeln, die nicht einfach durch Automation und künstliche Intelligenz ersetzt werden können. Stichworte sind Kreativität, Kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration.»
Auf die Bildung umgemünzt bedeute dies, dass die Lehrpersonen die Lernprozesse begleiten und sich auf das Komplementäre vom Menschen wie kreative Problemlösungs-, Sozial- und Selbstkompetenzen fokussieren könnten. «Dabei unterstützen sie die Jugendlichen und Lernenden, ihre Potenziale zu entfalten», betont Sabine Seufert. In einer sich rasch ändernden Welt mit rasant änderndem Wissen und immer komplexeren Aufgaben, sei es nicht mehr möglich, alles zu wissen und Probleme alleine zu lösen. Deshalb führe auch kein Weg an den VUCA Welten vorbei (siehe Definition am Schluss des Textes).
Lernagilität: Lebenslanges Lernen ist eine Schlüsselkompetenz
Die Sekundarstufe 2 ist gemäss Sabine Seufert zurzeit besonders stark gefordert, Reformprozesse in die Wege zu leiten, um die Lernenden auf die Berufswelt vorzubereiten. «Berufsbilder verändern sich rasant, neue entstehen, andere verschwinden. Das bedingt die Bereitschaft und Fähigkeit zum Lebenslangen Lernen. Lernagile Individuen hinterfragen auch den Status Quo mit dem Ziel neue Wege zu gehen. Einer VUCA Welt kann man nur mit einer höheren Selbstorganisation begegnen. Um in der VUCA-Welt nicht nur zu bestehen, sondern sich weiterzuentwickeln und Probleme zu lösen, müssen daher Netzwerke entstehen, in denen sich das Individuum austauschen und lernen kann.»
Es gehe also um das Lernen von- und miteinander, sagt Sabine Seufert. «Nur mit Hilfe eines Netzwerkes können komplexe Aufgaben angegangen werden, kann Wissen ausgetauscht und damit erhalten und erweitert werden, kann Neues entstehen, Innovation passieren.» Es gehöre zu den essentiellen Aufgaben der Bildungsinstitutionen, dies bei ihren Lernenden zu initiieren und zu fördern.
Claudia Schmid im Interview mit Sabine Seufert
Die VUCA Welten: Flexibler, agiler digitaler: VUCA steht für Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity. Oder auf Deutsch: Veränderlichkeit, Unsicherheit, Komplexität und Mehrdeutigkeit. Mit Volatility ist die Geschwindigkeit, Intensität und Instabilität von Prozessen und Veränderungen gemeint, mit Uncertainty die Unbekanntheit und Unvorhersagbarkeit zukünftiger Ereignisse und Konsequenzen. Das Wort Complexity weist auf die Vielzahl, Verschiedenartigkeit und Vernetzung von Elementen, Systemen und Ebenen hin und Ambiguitiy auf die Mehrdeutigkeit und Unschärfe von Beschreibungen und Bewertungen einer Situation.