Sabine Seufert und Eric Tarantini haben eine Fallstudie publiziert, die aufzeigt, wie die digitale Transformation einer berufsbildenden Schule vorangetrieben werden kann. Ausgehend von einem Rahmenmodell mit sieben Dimensionen zeigen sie am Beispiel der WKS in Bern die entsprechenden Veränderungen.
Digitale Transformation & Schulen
Die digitale Transformation hat weitreichende Auswirkungen auf Wirtschaft und Gesellschaft. Davon sind auch der Bildungssektor und somit die Schulen betroffen. Berufsbildende Schulen unterliegen derzeit einem besonders starken Veränderungsdruck, da sie sich an der Schnittstelle von Beschäftigungs- und Bildungssystem befinden. Digitale Transformation wird von den Autor:innen mit Blick auf Schule und Schulentwicklung wie folgt definiert:
«Die digitale Transformation umfasst zum einen die Schulentwicklung im digitalen Wandel, der sich auf die gesamte Wertschöpfung der Wissenserschliessung und -kommunikation bezieht. Zum anderen steht damit die Befähigung der Organisationsmitglieder einer Schule im Zentrum, insbesondere Lehrende sowie Lernenden, um die Chancen der Digitalisierung und von Netzwerkeffekten für die Schulentwicklung selbständig und eigenverantwortlich nutzen zu können.»
Seufert / Tarantini 2021, S. 6
Die vorliegende Fallstudie geht zunächst aus von einer Literaturstudie zur Sichtung von vorliegenden Modellen zur Schulentwicklung sowie zu digitalen Reifegradmodellen für Schulen. In einem nächsten Schritt werden die Ergebnisse von Interviews mit Schulleitungen an insgesamt 18 Berufsfachschulen in der Schweiz gesichtet und die Besonderheiten der digitalen Transformation in der Berufsbildung herausgearbeitet. Ein daraus resultierendes Modell für die Schulentwicklung wird anschliessend anhand einer auf Beobachtungen und Interviews basierenden Fallstudie der Wirtschafts- und Kaderschule in Bern (WKS KV Bildung) konkretisiert.
Rahmenmodell: Dimensionen der Transformation
Ein erstes Ergebnis dieser Studie ist ein Rahmenmodell zur Gestaltung der digitalen Transformation in der Berufsbildung. Dieses umfasst sieben Dimensionen: das Zielbild einer lernortintegrierenden Kompetenzentwicklung, Gestaltungsfelder wie Organisations-, Personal-, oder Infrastrukturentwicklung und schliesslich die übergreifende normative Orientierung (Führung, Strategie, Kultur):
Fallstudie WKS
Die 1857 gegründete Wirtschafts- und Kaderschule in Bern (WKS KV Bildung) ist mit knapp 4’000 Lernenden in Grundbildung und Weiterbildung sowie mit gut 500 Lehrpersonen und Fachreferent:innen die zweitgrösste kaufmännische Berufsfachschule der Schweiz. Im Jahr 2018 initiierte die WKS einen umfassenden Veränderungsprozess, um alternative Modelle für die KV Grundbildung zu pilotieren und zu evaluieren. Im Vordergrund stand dabei das Konzept des BGSOL, das begleitete selbstorganisierte Lernen, mit dem ein Unterrichtsmodell umgesetzt werden soll, das nahe an der Realität betrieblichen Arbeitens und Lernens ist.
In der Fallstudie zeigen Seufert / Tarantine für die oben angeführten sieben Dimensionen auf, welche Veränderungen bei WKS dort jeweils umgesetzt wurden:
Leadership, Strategie, Kulturentwicklung | Gemeinsame Arbeit am Selbstverständnis als Schule und klare Kommunikation der Schulleitung |
Kompetenzentwicklung | Handlungskompetenzorientierter Unterricht; begleitetes selbstorganisiertes Lernen (BGSOL); Verabschiedung vom 45-Minuten-Takt; |
Organisationsentwicklung | Duale Organisation mit sowohl hierarchisch organisierten Teams als auch mit eigenverantwortlich organisierten Teams (Themenkreise, Projektkreise) |
Personalentwicklung | Ausdifferenzierung von Rollenbildern im Zusammenhang mit dem neuen Organisationsmodell und Weiterbildungsangebote dazu |
Kooperationsentwicklung | Teamteaching, Arbeitskreise, Lernortkooperation mit Praxispartnern |
Assesment-Entwicklung | Kompetenzorientierte Aufträge und Prüfungen, Portfolio-Arbeiten |
Infrastruktur- / Technologie-entwicklung | Neugestaltung von Lernräumen |
Eines der am besten sichtbaren Ergebnisse der Schulentwicklung ist die Neugestaltung von Lernräumen. Hier wurde das Ziel verfolgt, dass die physische Lernumgebung eine möglichst grosse Nähe zur Realität des Berufsfelds aufweist. Der Unterricht ebenso wie selbstregulierte Arbeitssequenzen finden neu in eigens geplanten Räumlichkeiten statt, die einem Co-Working-Space ähneln. Für den Umbau der bisher zwei neugestalteten Schulzimmer wurden zusammen mit externen Partnern eigene Möbel entwickelt und hergestellt. Die Lehrpersonen halten sich primär an der “Lobby” auf, einem langen Tisch im offenen Lernraum. Hier sind sie für die Schüler:innen erreichbar und ansprechbar.
Seufert, S., & Tarantini, E. (2021). Schulentwicklung: Gestaltung der digitalen Transformation in der Berufsbildung: Fallstudie der WKS KV Bildung (Wirtschafts- und Kaderschule) in Bern. Unter Mitarbeit von Peter Kaeser, Simon Schranz und Andrea Hofmann. St. Gallen. Retrieved from Institut für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien (IBB-HSG) website: https://www.scil.ch/produkt/ibb-arbeitsbericht-1-schulentwicklung-digitale-transformation-berufsbildung/