Der Erfolg von Massnahmen zur Kompetenzentwicklung hängt nicht nur von Aspekten des (transferorientierten) didaktischen Designs ab, sondern auch von verschiedenen organisatorischen Aspekten. Als besonders wichtige organisatorische Erfolgsfaktoren werden häufig die Möglichkeit, neu erworbene Kompetenzen unmittelbar anzuwenden, und die Unterstützung durch Vorgesetzte in der Transferphase heraus gestellt. Weniger häufig wird das Augenmerk auf Verfahren zur Auswahl geeigneter Teilnehmender gerichtet.
Eine aktuelle Publikation (Gadeceau 2012) beleuchtet diesen Aspekt genauer. Ausgehend von der Erfahrung, dass Programme mit Teilnehmenden besetzt werden, die nicht das entsprechende Vorwissen oder die Möglichkeit unmittelbarer Umsetzung des Gelernten am Arbeitsplatz mitbringen, werden verschiedene Auswahlprozeduren behandelt. Darüber hinaus wird ein Raster mit Empfehlungen für Auswahlverfahren entwickelt.
Um die für eine Entwicklungsmassnahme optimale Zusammensetzung von Teilnehmenden zu erreichen können nach Gadeceau unter anderem folgende Kriterien herangezogen werden:
- Umfang der Vorkenntnisse / bereits verfügbaren Kompetenzen (z.B. Anfänger vs. Fortgeschrittene);
- Erfahrungen im Arbeitsfeld (z.B. neue Mitarbeitende vs. erfahrene Mitarbeitende);
- Alter der Teilnehmenden (z.B. junge vs. reifere Mitarbeitende);
- Kultureller Hintergrund (z.B. Beschäftige aus Niederlassungen in Europa vs. Asien);
- Geschlecht der Teilnehmenden;
- Motivation zum Erreichen der mit der Massnahme verbundenen Ziele;
- Bereitschaft zur Umsetzung der geplanten Vorbereitungsaufträge und Transferaufträge.
Gadeceau entwickelt dann ein Tableau zu geeigneten Auswahlverfahren, wobei er die Ausprägungen von drei Rahmenbedingungen abhängig macht:
- die erforderliche Präzision bei der Auswahl der Teilnehmenden;
- die Entscheidungsbefugnisse der Programmleitung bei der Auswahl der Teilnehmenden;
- die Akzeptanz für die Massnahme (buy-in) auf Seiten der Teilnehmenden und deren Vorgesetzten.
So legen, beispielsweise, eine beschränkte Anzahl von Plätzen, eine hohe Entscheidungsbefugnis der Programmleitung im Selektionsprozess und eine hohe Akzeptanz der Teilnehmenden (sowie deren Vorgesetzten) für das Programm eine intensive Selektion der Teilnehmenden nahe (vgl. Tabelle).
Erforderliche Präzision bei der Auswahl | Entscheidungs-befugnisse der Programm-leitung | Akzeptanz für die Massnahme (Teilnehmende & Vorgesetze) | Beispiele | Empfohlenes Auswahl-verfahren |
hoch | hoch | hoch | Intensive Selektion der Teilnehmenden | |
Eng beschränkte Anzahl von Teilnehmenden | Nominierung ausschliesslich durch Programm-leitung | Angebot von Nachfragern gefordert / hohe Akzeptanz für Angebot | Führungskräfte-entwicklungs-programm | Auswahl auf der Grundlage von diagnostischen Verfahren (Tests) |
Genau definierte Zielgruppe | Alle Anspruchs-gruppen halten das Angebot für sinnvoll | Experten-Workshop | Online-Vorbereitungs- modul muss absolviert sein |
|
Breit definierte Zielgruppe | Vertreter der Zielgruppe wurden in Konzeption / Ausrichtung der Massnahme eingebunden | Organisations-weites Training | Anmelde-formular | |
Gesamte Belegschaft als Zielgruppe | Entscheidung zur Teilnahme wird an entsendende Organisations-einheiten delegiert | Jeder, der Teilnehmen möchte, darf teilnehmen | Informations- und Sensibili-sierungs-programme | Keine Selektion der Teilnehmenden |
niedrig | niedrig | niedrig | Keine Selektion der Teilnehmenden |
Das von Gadeceau entwickelte Raster bietet eine einfache Möglichkeit für eine erste Einordnung einer Entwicklungsmassnahme und für die Identifikation von geeigneten Verfahren zur Auswahl von Teilnehmenden. Eine Beschränkung des Modells besteht allerdings in der implizit enthaltenen Unterstellung, die drei berücksichtigten Rahmenbedingungen sind gleichermassen hoch oder niedrig ausgeprägt. Interessant wären im Anschluss daran empirische Ergebnisse dazu, wie stark sich eine gelungene / nicht gelungene Auswahl von Teilnehmenden auf den Transfererfolg und den Wertbeitrag einer Bildungsmassnahme auswirken.
Gadeceau, J.-F. (2012). Selection for participation in training and its potential effect on transfer: encouraging good practice. International Journal of Training and Development, 16(2), 137–144. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1468-2419.2012.00398.x/abstract
Weitere Verfahrensweisen zur Sicherung von Transfererfolg und Wertbeitrag bei Bildungsmassnahmen sind Gegenstand des scil Seminars “Bildungsprogramme mit Wertbeitrag realisieren”.
Schreiben Sie einen Kommentar