Die Zürcher Gesellschaft für Personalentwicklung (ZGP) hatte letzte Woche zum Symposium „HRM 4.0 für die Schweiz“ eingeladen. Daniel Huber, Leiter Personal beim Energiedienstleister Alpiq AG, hatte das Programm zusammengestellt und scil für einen Beitrag zum Thema „Digitales L&D“ angefragt. Ich bin der Einladung gerne gefolgt und hatte so Gelegenheit, unsere Sicht auf die digitale Transformation im Bereich L&D den ca. 80 Teilnehmenden vorzustellen.
Mein Vortrag führte Überlegungen weiter, die wir in der letzten Zeit schon an verschiedenen anderen Stellen eigebracht haben und fokussierte folgende Fragestellungen:
- Welche „digitalen Kompetenzen“ sind im Zuge der gegenwärtigen Transformation besonders relevant und müssen von L&D gezielt in den Blick genommen werden?
- Wie können diese Kompetenzen entwickelt werden?
- Muss dafür das Leistungsportfolio von L&D erweitert werden?
Dazu habe ich eingangs das Kompetenz-Modell von Ferrari (20013) vorgestellt (vgl. dazu die Folien, unten). Auf meine Frage an das Publikum, wo denn schon ein Kompetenz-Rahmen für das digitale Zeitalter formuliert bzw. als Orientierungshilfe im Einsatz ist, ging keine einzige Hand nach oben. Hier zeigt sich also deutlich ein Entwicklungsbedarf im Bereich des betrieblichen Bildungsmanagements.
Digitale Kompetenzen können aber nicht nur im Seminarraum entwickelt werden. Vielmehr braucht es dazu auch arbeitsplatznahe und informelle Lernformen. Deshalb stellte ich anschliessend unsere schon verschiedentlich gezeigte Sicht auf ein erweitertes Leistungsportfolio für L&D vor:
Ein solches erweitertes Leistungsportfolio für L&D beinhaltet nicht nur verschiedene Modalitäten des Lernens. Es erfordert auch die Weiterentwicklung von Rollen, Prozessen und Infrastrukturen:
Rollen / Profile | Infrastrukturen |
Trainer / Lernbegleiter ↓ Lernbegleiter und Arrangeur medienunterstützter Lernumgebungen Trainer / Lernbegleiter / Fachexperte ↓ zusätzlich oder als Spezialisierung „Kurator“ von Lernressourcen |
Lern-Management-Systeme ↓ LMS und / oder Lern-App-Ökosystem Werkzeuge und Plattformen für das Kuratieren von Lernressourcen |
Coach / Mentor ↓ E-Coach / E-Mentor |
Werkzeuge für E-Coaching / E-Mentoring und Plattformen für das Management von Coaching-Programmen |
Trainer / Lernbegleiter / Fachexperte ↓ zusätzlich oder als Spezialisierung „Community Manager“ „Camp-Moderator“ „Pod- / Vodcaster“ |
Enterprise Collaboration Platforms Camp-Plattformen Video-Plattformen |
Hier die Folien zu meinem Beitrag:
Interessant fand ich auch die anderen inhaltlichen Beiträge zum Symposium, insbesondere den Beitrag von Dr. Franka Piazza, Universität des Saarlandes, zum Thema „Smart HRM: Internet of Things und Personalarbeit“. Sie präsentierte Ergebnisse einer Delphi-Studie des Lehrstuhls für Management-Informationssysteme. Diese Ergebnisse legen nahe, dass HR-Funktionen wie das Personal-Controlling, die Personal-Einsatzplanung und die Personalentwicklung von den Entwicklungen im Bereich Internet of Things stärker betroffen sein werden als beispielsweise die Arbeitsbereiche Recruiting oder Vergütung / Compensation. Pointiert formulierte sie ihre Sicht auf die Entwicklung als Beschleunigung der Personalarbeit und als eine Bewegung von einer her „intuitionsbasierten“ hin zu einer auf Echtzeit-Daten basierenden Personalarbeit. (Link zur Delphi-Studie)
Verweis:
Ferrari, A. (2013). DIGCOMP: a framework for developing and understanding digital competence in Europe (EUR 26035) (JRC Scientific and Policy Reports). Luxembourg: Joint Research Centre, Institute for Prospective Technological Studies. Abgerufen von http://ftp.jrc.es/EURdoc/JRC83167.pdf
Lieber Christoph,
Auch ohne Tonspur ist die Präsentation sehr interessant. Wenn ich deine Unterlagen richtig verstehe, dann gehst du bei den Digitalen Kompetenzen auf unmittelbare Aspekte ein. Also, welche Kompetenzen werden im Umgang mit digitalen Werkzeugen benötigt. Nun könnte man Digitale Kompetenzen aber auch breiter verstehen, indem man darin all jene Kompetenzen versteht, die im Zuge der Digitalen Transformation (neu) wichtig werden. Ausgehend von der Annahme, dass Maschinen und Algorithmen viele Arbeitsschritte übernehmen werden, könnten dann bspw. auch Kompetenzen in Kooperation, Teamarbeit, Kreativität, vernetztes Denken etc. zu den Digitalen Kompetenzen gezählt werden. Wie siehst du diese Unterscheidung zwischen Kompetenzen im Umgang mit Digitalen Instrumenten und Kompetenzen im Digitalen Zeitalter?
Lieber Joel, da hast du eine gute Frage gestellt! Mir ist der Ansatz zur Modellierung “digitaler Kompetenzen” von Ferrari deshalb sympathisch, weil er fokussiert ist und nicht wie andere (z.B. Hartmann / Hundertpfund) sehr breit gefasst ist. So wie ich Ferrari verstehe, bezieht sie “digitale Kompetenzen” ja nicht nur auf den Umgang mit Instrumenten (z.B. “mit digitalen Informationen umgehen”). Kompetenzen wie Kooperation, Teamarbeit, Kreativität etc. werden in verschiedensten Zusammenhängen als wichtig herausgestellt – z.B. in der Diskussion um entgrenzte oder sogar virtuelle (Netzwerk-)Organisationen, die wir vor 15 Jahren hatten oder in der Diskussion um die VUCA-Welt in jüngerer Vergangenheit. Natürlich spielen auch solche Kompetenzen im Hinblick auf Digitalisierung eine Rolle, aber sie erscheinen mir – zumindest nach meinen bisherigen Erfahrungen – einfach zu wenig spezifisch für die “digitale Transformation” so wie ich sie bisher erlebe. Aber vielleicht ist ja dein Erfahrungshintergrund in deinem Arbeitskontext diesbezüglich ein anderer…