Für Lehrpersonen bzw. Bildungsanbieter stellt sich immer wieder die Frage, ob sie die Lernenden / Kursteilnehmenden auf den Plattformen “abholen” sollen, wo diese ohnehin schon sind (z.B. facebook), oder ob sie “geschützte” Plattformen wie z.B. ein LMS einsetzen sollen.
In einem Beitrag für die Zeitschrift Educational Technology & Society berichten Miron / Ravid über ihre Erfahrungen aus der Nutzung von geschlossenen Facebook-Gruppen als Kurs- bzw. Lernplattform im Rahmen von 12 Kursen zum Thema “Wissensmanagement” an der Ben-Gurion Universität Negev in den Jahren zwischen 2012 und 2014.
In ihrem Beitrag kontrastieren sie zunächst “geschlossene” Lern-Management-Systeme bzw. Lernplattformen (“walled garden solutions”), wie sie an den meisten Hochschulen verfügbar sind, mit “offenen” Plattformen bzw. Webservices (“open systems”), beispielsweise Facebook:
“geschlossene” Lernplattformen
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“offene” Webservices
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+ Lernende werden vor der Aussenwelt
“geschützt”
+ Lernende wissen um den geschützten Bereich,
fühlen sich “unter sich”
– Lernende sind in ihrer Freizeit in der Regel nicht
auf dieser Plattform
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+ holen Lernende dort ab, wo sie sich ohnehin
aufhalten
+ bieten umfangreiche Funktionalitäten, ähnlich
wie LMS
– Zugang zu Lernmaterialien (PDF, Videos, etc.)
– Unterstützung von Zusammenarbeit, u.a. via
Blog- & Wiki-Elemente
– Kursmanagement (Sprechstunden, Umfragen,
Tests, Noten, etc.)
+ Lernende sind mit den Funktionalitäten dieser
Services i.d.R. gut vertraut
– geschlossene Gruppen müssen von der
Lehrperson angelegt werden und geeignete
Einstellungen für den Datenschutz müssen
vorgenommen werden
– Lernende sind z.T. besorgt, dass
a) ihre Lernaktivitäten für ihre Freunde sichtbar
sein könnten und
b) ihre privaten Aktivitäten für die Lehrpersonen
sichtbar sein könnten
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Miron / Ravid stellen in einer Tabelle die verschiedenen Typen von Facebook-Gruppen, die seit 2010 eingerichtet werden können, einander im Hinblick auf die Zugriffsrechte gegenüber:
Darüber hinaus ist auf Seiten von Lehrpersonen zu beachten, dass es bei allen Typen von Facebook-Gruppen möglich ist, dass Teilnehmende das Aktivitäten-Protokoll (“time-line” oder “wall”) von anderen Gruppenmitgliedern einsehen können – was eine Vermischung von Kurs-Plattform einerseits und persönlicher Lernumgebung andererseits darstellt. Wenn dies nicht erwünscht ist, so müssen Lehrpersonen diese Funktionalität deaktivieren und die Autoren erläutern in einem Anhang, wie dies erreicht werden kann.
Die Autoren zeigen in ihrem Beitrag auf, dass geschlossene (“secret”) Facebook-Gruppen einen mit regulären LMS vergleichbaren Funktionsumfang bieten und daher prinzipiell auch als Kursplattformen geeignet sind. Sie zeigen aber auch damit verbundene Herausforderungen auf, zum Beispiel:
- die Nutzung von Facebook-Gruppen als Kursplattformen muss durch die Hochschule gedeckt sein;
- Lehrpersonen müssen über gute Kenntnisse von Facebook als Arbeitsumgebung verfügen (z.B. um geeignete Datenschutz-Einstellungen vornehmen zu können);
- einzelne Studierende verfügen nicht über die erforderlichen Kompetenzen im Umgang mit Facebook (“facebook illiterates”) und einzelne Studierende wollen Facebook nur mit anonymisierten Nutzerkonten nutzen.
Miron / Ravid führen in ihrem Bericht auch Ergebnisse aus von ihnen durchgeführten Kursevaluationen an. Die Frage, ob Facebook als Kursplattform besser geeignet ist als die anderen an der Hochschule etablierten LMS (u.a. auch Moodle), wird von den Studierenden eher kontrovers beurteilt, in der Summe aber mit leichten Vorteilen für Facebook (vor allem im Hinblick auf dessen Nutzerfreundlichkeit).
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Referenz:
Miron. E. & Ravid, G. (2015). Facebook Groups as an Academic Teaching Aid: Case Study and Recommendations for Educators. Educational Technology & Society, 18 (4), 371-384.
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