Letzte Woche fand in Essen das Netzwerkforum “Personalentwicklung und Lernkultur in Zeiten digitalen Wandels” statt. Eingeladen hatte getabstract, Gastgeber war die thyssenkrupp Academy, scil hat die Moderation der Veranstaltung übernommen.
Zum Einstieg in die halbtägige Veranstaltung haben wir zunächst die zentralen Handlungsfelder für L&D kurz angerissen (vgl. dazu auch diesen, etwas ausführlicheren Foliensatz) und anschliessend – als Startpunkt für die Diskussionen zu den nachfolgenden Beiträgen – eine Arbeitsdefinition zu Lernkultur für diesen Tag eingeführt (orientiert an Edgar Schein).
Nora Schoenthal, Director Center of Expertise Development bei Henkel, eröffnete dann die Runde der Praxisberichte. Sie zeigte auf, wie die Henkel Global Academy das Thema «Digitalisierung» aufgreift und eine Reihe von neuen Lernformaten entwickelt. Dazu gehören Webinare, Open Online Kurse, der Einsatz von gamifizierten Lernumgebungen, selbstgesteuertes Lernen auf der Grundlage von Inhalte-Bibliotheken externer Anbieter und kuratierter Sammlungen sowie social learning.
Die Erweiterung des Leistungsportfolios der Henkel Global Academy basiert auf drei Ansatzpunkten:
- einem agilen «Erproben und Lernen»-Ansatz mit schnellen Iterationen;
- Impulsen zur Veränderung der Lernkultur (mehr individuell zugeschnittene Lernaktivitäten, mehr Austausch mit anderen und bessere Integration in die tägliche Arbeit);
- einer Veränderung der Rolle von HR in Richtung Lernbegleitung, Lernunterstützung und ‘learning consulting’ für Geschäftseinheiten.
Eine zentrale Lernerfahrung in diesem Veränderungsprozess war, wie wichtig Kooperationspartner im Bereich der Governance, der IT-Sicherheit und auch des Betriebsrats sind.
Abbildung 1: 3 Ansatzpunkte für die Erweiterung des L&D Leistungsportfolios (Quelle: Henkel AG)
Die Leitfrage für die anschliessende Diskussion in den Tischgruppen lautete: «Welche Haltungen bzw. Einstellungen (als Elemente einer Lernkultur) braucht es, damit ein Einbetten von Lernaktivitäten in den Arbeitsalltag gelingt?» Im Hinblick auf die Mitarbeitenden eines Unternehmens / einer Organisation wurden u.a. die folgenden Punkte betont:
- Akzeptieren, dass man von der digitalen Transformation selbst betroffen ist;
- Bereitschaft zur Übernahme von Eigenverantwortung;
- Bereitschaft, digitale Medien ebenso zu nutzen wie flexiblere Rahmenbedingungen («die Chancen sehen und nutzen»);
- Bereitschaft, den damit verbundenen Aufwand auf sich zu nehmen.
Führungskräfte, auf der anderen Seite, können sich nicht mehr darauf verlassen, dass eine Trainingseinheit “fixfertig qualifizierte Mitarbeitende liefert”. Vielmehr müssen sie Kompetenzen und Kompetenzentwicklung gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden im Blick halten.
Anschliessend berichtete Michael Wohlstein, Talent Manager bei der PAUL HARTMANN AG, zum Thema «virtual collaboration» im Rahmen des ersten globalen HARTMANN Talent Development Programms. Dieses Programm wird durch eine auf dem Enterprise Social Network Yammer basierende Lernplattform unterstützt, wobei das ganze Einsatzspektrum von Social Networks genutzt wird. So wird zum einen die Community der Programmteilnehmer gestärkt (wie z.B. bei Facebook) als auch echter Content vermittelt, um die Lernerfahrungen nachhaltig zu gestalten (wie z.B. bei Moodle). Zentrale Erfolgsfaktoren für diese Community sind der Nutzen für die Teilnehmenden, die beteiligten Personen selbst, die Moderation und die technische / organisatorische Unterstützung (vgl. dazu hierzu als Referenz diese Publikation). Wichtige Lernerfahrungen bei der Umsetzung des Programms waren die Bedeutung der Lerninhalte, die unterschiedlichen Intensitäten der Beteiligung (90-9-1) und die Hartnäckigkeit, die es erfordert, um Kommunikation und Zusammenarbeit in einer Programm-begleitenden online Community zu etablieren.
In der gemeinsamen Diskussion haben die Teilnehmenden am Forum die in der Umsetzung von online Lerncommunities besonders herausfordernden Aspekte identifiziert. Dabei standen insbesondere zwei Punkte im Vordergrund: das Herausstellen / Aufzeigen / Erfahrbar machen des Nutzens für die Beteiligten und geeignete Infrastrukturen:
Abbildung 2: Besonders herausfordernde Aspekte bei der Umsetzung von online Lerncommunities (Quelle: Netzwerkforum 2017)
Im abschliessenden Beitrag stellte Frank Fischer, Head Talent Brokerage and Talent Development bei thyssenkrupp AG, eine Job-Swap-Initiative und die dafür entwickelte Online-Plattform vor. Mit dieser konzernweiten Initiative zum Stellentausch werden u.a. die folgenden Zielsetzungen verfolgt:
- unterschiedliche Geschäftsbereiche in einem sehr diversifizierten Konzern näher zusammenbringen;
- den Mitarabeitenden eine Möglichkeit bieten, ihre eigene Entwicklung mitzugestalten;
- ein ganzheitliches Verständnis des Konzerns bei den Mitabeitenden stärken.
Zentrale Elemente dieses Programms sind die folgenden Punkte:
- Dauer maximal 3 Wochen;
- Job-Swaps gleichzeitig oder nacheinander;
- Planung und Durchführung liegen vollständig in der Verantwortung der Teilnehmenden und ihrer jeweiligen Vorgesetzten;
- die Vorgesetzten entscheiden über die Durchführung;
- Reisekosten werden vom Unternehmen getragen;
- die online-Plattform für das Partner-Matching ist für alle Mitarbeitenden offen.
Abbildung 3: Klare Rollenbeschreibungen als Grundlage für eine erfolgreiche Initiative (Quelle: thyssenkrupp AG)
Die Job-Swap Plattform der thyssenkrupp AG ist in einigen Punkten bekannten Leistungsmerkmalen von Web-basierten Partnervermittlungsbörsen gefolgt. So werden die Personen hinter den Profilen erst dann sichtbar, wenn sich beide Swap-Partner zu einem Tausch mit dem jeweils anderen bereit erklärt haben. Die ersten Erfahrungen mit der Initiative und der Plattform sind sehr positiv. So hat zum Beispiel eine Mitarbeiterin von Frank Fischer mit einer Kollegin aus Indien die Arbeitsplätze temporär getauscht. Für Frank Fischer ist der Wertbeitrag der aus diesem Austausch resultierenden Ideen und die daraus resultierende bessere Zusammenarbeit zwischen den beiden Teams weitaus höher als die eingebrachten direkten (ca. € 2’500) und indirekten Kosten.
In der Diskussion im Forum und in den Tischrunden wurden wiederum die (kulturellen) Voraussetzungen für den Erfolg einer solchen Initiative zur Förderung von informellem Lernen besprochen. Genannt wurden hier u.a. die folgenden Einstellungen und Haltungen:
- Mitarbeitende
- Selbstverantwortung und Eigeninitiative;
- Offenheit für neue Erfahrungen;
- Führungskräfte
- Vertrauen in die eigenen Mitarbeitenden;
- Mittel-/längerfristiges Denken (kein kurzfristig messbarer ROI);
- HR / L&D
- Bereitschaft, nach dem Definieren des Rahmens und Prozesses loszulassen und die Verantwortung für die Umsetzung der Initiative an die Teilnehmenden abzugeben;
- Top Management
- Vertrauen in die Wirksamkeit eines solchen Programms.
Die Beiträge zum Netzwerkforum zeigten insgesamt eine grosse Bandbreite von Massnahmen bzw. Initiativen zur Kompetenzentwicklung auf: von Blended-Learning Programmen und selbstgesteuertem Lernen mit Inhalte-Bibliotheken über soziales Lernen in online Communities bis hin selbstorganisiertem informellem Lernen im Rahmen einer konzernweiten Initiative zum zeitlich befristeten Stellentausch. Zu den zentralen lernkulturellen Voraussetzungen für das erfolgreiche Umsetzen dieser Formate gehören insbesondere Selbstverantwortung und Eigeninitiative (Mitarbeitende), Vertrauen in die Mitarbeitenden (Führungskräfte) und die Fokussierung auf das Schaffen von lernförderlichen Rahmenbedingungen (Bildungsverantwortliche).
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