Seit einigen Jahren führen wir bei scil Exkursionen durch, um interessante Entwicklungen im Bildungsmanagement vor Ort erleben und diskutieren zu können. Im letzten Jahr lautete das Motto „Innovationskultur“ und wir waren zu Gast beim IBM Research Center in Rüschlikon. Das Jahr davor beschäftigte uns das Thema „mobiles Lernen“ und wir waren zu Gast bei CYP in Zürich. Und davor waren wir bei Swisscom in Bern und haben das Thema „Lernräume – Thinking out of the box“ verfolgt.
Dieses Jahr nun stand das Thema „Kundenreise und Kundenorientierung“ im Mittelpunkt. Am 16. November waren wir zu Gast im Grand Resort Bad Ragaz im St.Galler Rheintal.
Das Grand Resort ist eines der führenden Resorts der Schweiz und betreibt, gemeinsam mit weiteren Häusern sowie der Fluggesellschaft Swiss, die Academy of Hotel Excellence. Gastgeberin für den Tag war Edith Kohler, die Leiterin der Personalentwicklung im Grand Resort, die für die (Weiter-)Entwicklung der rund 700 Mitarbeitenden zuständig ist.
Wir begannen den Tag mit einer kurzen Orientierung zum Konzept der „Kundenreise“, das heisst, über welche Schritte potenzielle Kunden zu Kunden werden und was sie dann als Kunden an verschiedenen Punkten erleben. Anschliessend konnten wir uns im Rahmen einer Führung einen Eindruck von den drei verschiedenen Hotels des Resorts, den verschiedenen Restaurants sowie von den sehr bewusst gestalteten Schnittstellen zum öffentlich zugänglichen Bereich des Medical Health Centers und der Tamina-Therme verschaffen.
Besonders eindrücklich waren für mich zwei Aspekte: zum einen das Leitmotiv „Wasser“ und seine sehr gezielte Inszenierung (neben der Tamina-Therme und dem Spa-Tower auch in Eingangsbereichen und Gängen sowie wie beispielsweise durch eine Wasser-Bar und einen eigenen Wasser-Sommelier. Zum anderen, wie auf verschiedenen „Hinterbühnen“ (z.B. Butler-Zimmer, Restaurant-Zentrale, Service-Pult im Restaurant) die kundenorientierten Dienstleistungen vorbereitet werden.
Dazu gehören beispielsweise auch branchenspezifische IT-Lösungen, in denen die Kellner in den Restaurants nicht nur die Namen der Gäste, sondern auch deren Vorlieben, gegebenenfalls Allergien, Unverträglichkeiten etc. eintragen und abrufen können. Allerdings wurde auch deutlich, dass eine konsequente Kundenorientierung nicht allein mit solchen Lösungen zu erreichen ist, sondern einer besonderen Haltung des Personals bedarf. Diese zu entwickeln und zu pflegen (und einer Haltung „wir sind doch eh top, lasst mich in Ruhe meinen Job machen“ entgegenzuwirken) gehören zu den Herausforderungen der Personalentwicklung im Grand Resort.
In der Folge haben mit Fokus auf der Arbeit von Personalentwicklern die Themen „Kundenreise“, „Erlebnispunkte“ und „Kundenorientierung“ vertieft. Dabei haben wir in Anlehnung an Reinmann / Jenert (2011) zwischen Kundenorientierung, Teilnehmenden-Orientierung und Lernenden-Orientierung unterschieden:
Bildquelle: scil in Anlehnung an Reinmann / Jenert 2011
In den Gruppenarbeiten und anschliessenden Diskussionen wurde deutlich, dass Kundenorientierung in der Weiterbildung im Hinblick auf Aspekte wie Gestaltung des Logistik-Systems (z.B. wie kommen die Lernmaterialien zu den Kunden) unbestritten ist. Im Hinblick auf die Gestaltung des Lernprozesses (z.B. Einsatz aktivierender Methoden) gibt es aber zum Teil Spannungsfelder zwischen Erwartungen und Wünschen der „Kunden“ („nun bedient mich bitte mit relevanten Informationen“) und den Erwartungen an „Lernende“ („nun zeigt doch mal im Rahmen dieses Rollenspiels, wie ihr dies in eurer Praxis umsetzen würdet“).
Im zweiten Teil des Tages haben wir uns mit Praktiken des Wissensmanagements und informellen Lernformen befasst. Für das Grand Resort spielen diese eine wichtige Rolle bei der Umsetzung von Kundenorientierung.
Edit Kohler zeigte hierzu einige Beispiele auf:
- die Nutzung einer Reihe von eigenproduzierten Videos zu den Besonderheiten verschiedener Herkunftskulturen der Gäste (z.B. aus Russland oder dem arabischen Raum);
- die Organisation von Schnitzeljagden und Quizzes zu verschiedenen Aspekten des Angebots des Resorts;
- die regelmässige Durchführung einer Resort-Messe, bei der die Mitarbeitenden an verschiedenen Stationen mehr über die Angebote der einzelnen Abteilungen (z.B. Gesundheitsberatung, Degustationen, Tipps vom Butler, Sicherheitsschulungen, etc.) erfahren können.
Besonders interessant war dann für uns ein Gespräch mit dem Head-Butler des Resorts. Wir erfuhren, dass die Butler im Tagesverlauf und am Ende ihrer Dienste viel Zeit in die Dokumentation und in die Übergabegespräche investieren, um bei der Gästebetreuung immer auf dem aktuellen Stand zu sein und eine bruchlose Kundenbetreuung zu gewährleisten.
Auch den Themenbereich „informelles Lernen“ haben wir dann anschliessend in Gruppenarbeiten und im Hinblick auf das Leistungsportfolio betrieblicher Weiterbildung weiter vertieft.
Insgesamt hat dieser Tag für mich noch einmal deutlich gemacht, wie wichtig das Wissen über die Kunden / Teilnehmenden und deren Voraussetzungen / Erwartungen beim Erbringen von Dienstleistungen ist – auch für uns als Learning Professionals. Und hier können wir von der Praxis im Grand Resort Bad Ragaz etwas lernen. Beispielsweise fragen Teilnehmende unserer scil Weiterbildungsprogramme im Rahmen unserer Seminare immer wieder einmal nach Möglichkeiten, diese oder jene Ausarbeitung etwas später einzureichen. Natürlich kann man hierzu einen formalen Prozess definieren: „Anfragen zu Abgabeterminen bitte per Mail an folgende Adresse …“. Kundenorientierter ist es sicherlich, diese Information unmittelbar im Gespräch aufzunehmen. Bisher hatten wir aber kein Gefäss, wo wir solche Informationen festgehalten haben und gelegentlich gingen diese auch verloren und mussten erneut abgefragt werden. Als Konsequenz aus dem Tag beim Grand Resort habe ich ein neues, im Team geteiltes Evernote-Notizbuch genau für solche Informationen angelegt…
Referenzen:
Meier, C. (2016). Marketing für Learning Professionals (Skript zum Seminar). swiss competence centre for innovations in learning.
Reinmann, G., & Jenert, T. (2011). Studierendenorientierung: Wege und Irrwege eines Begriffs mit vielen Facetten. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 6(2), 106–122.
Schreiben Sie einen Kommentar