Ich habe über den Sommer einige Portfolio-Arbeiten unserer Lehrgangs-Teilnehmenden begutachtet. Für mich ist das in der Regel eine schöne Arbeit, weil ich die dabei entstandenen Arbeiten häufig sehr gut finde. Das war aber nicht immer so. Die Portfolio-Arbeit als zentraler Leistungsnachweis im Rahmen unserer Weiterbildungsprogramme (CAS und DAS in Corporate Learning / Bildungsmanagement) war in den letzten Jahren eine Dauerbaustelle für uns als Weiterbildungsträger für uns als Weiterbildungsträger. Wenn ich auf die letzten vier Jahre seit der Einführung dieses Elements zurückblicke, dann ergeben sich für mich drei Entwicklungsphasen. Im Rahmen von zwei aufeinanderfolgenden Blogbeiträgen will ich dieses Leistungselement einmal etwas genauer betrachten. In diesem Beitrag daher – im Sinne von Working Out Loud – ein Blick über die Schulter darauf, wie wir dieses Leistungselement konzipiert, entwickelt und immer wieder angepasst haben. Im nächsten Beitrag kommen dann einige unserer Programmteilnehmenden zu Wort. Wir wollten von Ihnen insbesondere wissen, wie sie diesen Portfolio-Prozess erlebt haben und wie für sie persönlich die Kosten-Nutzen-Bilanz dieser doch sehr aufwändigen Arbeit ausfällt.
Konzeption und Entwicklung 2012
Die erste Konzeption und Entwicklung einer Portfolio-Arbeit als zentrales Element unseres Weiterbildungsprogramms (damals unter dem Titel “Management von Lern- und Entwicklungsprozessen”) erfolgte im Jahr 2012 durch meine damalige Kollegin Sina Fäckeler. Dabei wurde zusätzlich zu den Modulbewertungen (basierend auf den erstellten Transferaufträgen) ein weiteres, portfolio-basiertes Element des Leistungsnachweises eingeführt. Beide Elemente wurden dabei jeweils mit 50% bewertet. Zielsetzung für scil war einerseits, die Programmteilnehmenden bei der Reflexion und Steuerung der eigenen Weiterbildung zu unterstützen. Gleichzeitig wollten wir andererseits auf diese Weise auch die Reflexion von informell erworbenen Kompetenzen unterstützen.
Der Ablaufprozess für die programmbegleitende Portfolio-Arbeit wurde wie folgt definiert:
- Standortbestimmung / Zielformulierung
- Besuch von Modulen und Arbeit am Portfolio
- Reflexionsbericht 1 (Zwischenbericht)
- Schriftliches Feedback zum Bericht 1
- Besuch von Modulen und Arbeit am Portfolio
- Reflexionsbericht 2 (Bericht zum Abschluss des Programms)
- Schriftliches Feedback zum Bericht 2
Dieser Prozess hat bis heute Bestand. Angepasst haben wir hingegen verschiedene Aspekte der operativen Umsetzung.
Zur Unterstützung der Reflexionsarbeit hatten wir in 2012 eine dazugehörige Arbeitsumgebung in unserer Lernplattform (Moodle) eingerichtet. Diese Arbeitsumgebung beinhaltete Seiten bzw. Formulare für das Eintragen von Entwicklungszielen, den Zwischenbericht, die Lernjournale zu den einzelnen Modulen, ein persönliches Glossar sowie den Abschlussbericht (vgl. Abbildung 1).
Abbildung 1: Arbeitsumgebung zur Portfolio-Arbeit auf der Lernplattform
Mit dem Eingehen der ersten Portfolio-Arbeiten wurde dann deutlich, dass wir dieses Leistungselement weiterentwickeln mussten. So waren etwa die Reflexionen nicht in dem Mass auf Konzepte und Inhalte der Weiterbildung bezogen, wie wir uns das gewünscht hatten. Und auch das Belegen der eigenen Kompetenzentwicklung mit Artefakten (z.B. eigene Ausarbeitungen im Rahmen der Transferaufträge oder aus dem Arbeitsalltag) wurde nicht wie von uns erhofft umgesetzt. Nach etwa einem Jahr führten wir eine Reihe von Feedback-Gespräch mit Programmteilnehmenden durch. Diese ergaben unter anderem, dass die Portfolio-Arbeit mit der Lernplattform umständlich, verwirrend und wenig motivierend ist. Darüber hinaus wurde deutlich, dass die Teilnehmenden das Einstellen und Zeigen von Artefakten als Belege für die eigene Kompetenzentwicklung und deren Reflexion zum Teil nicht wie erhofft verstanden und zum Teil als problematisch eingeschätzt haben, da diese Ausarbeitungen zum Teil vertraulicher Natur waren. Unsere Idee, die Portfolio-Arbeit mit einem neuen Peer-Feedback-Element zu verknüpfen, stiess eher nicht auf Zustimmung, zum Teil wiederum aus Gründen der Vertraulichkeit von Ausarbeitungen.
Anpassung und Weiterentwicklung 2014
Anfang 2014 machten wir uns daher an die Weiterentwicklung dieses Leistungselements. Aufgrund der von einigen Teilnehmenden geäusserten Vorbehalte sowohl gegenüber der Nutzung einer online Plattform als auch gegenüber einem Peer-Feedback haben wir entschieden, dass die Teilnehmenden ihre Ausarbeitungen künftig als Office-Dokument erstellen. Dazu haben wir eine Dokumentvorlage erstellt und die Leitfragen aus der Moodle-Arbeitsumgebung angepasst. Gleichzeitig haben wir das Bewertungsschema für die Portfolio-Berichte weiterentwickelt und systematisiert sowie auch eine erweiterte Information bzw. Arbeitsanleitung für die Programmteilnehmenden erstellt (vgl. Abbildung 2). Dabei haben wir auch bestimmte Erwartungen unsererseits (z.B. betreffend der Integration von Arbeitsproben / Belegen für die eigene Kompetenzentwicklung) deutlicher formuliert. Wir hatten nämlich den Eindruck, dass die Programmteilnehmenden zum Teil nicht ausreichend kontinuierlich am Portfolio arbeiten und dann bei der Erstellung das Potenzial an möglichen Materialien nicht ausschöpfen.
Abbildung 2: Visualisierung des Gesamtprozesses der Portfolio-Arbeit, Stand 2014
Anpassung 2015
In der Folge der von uns vorgenommenen Reform unserer Weiterbildungsprogramme in 2015 war wiederum eine Anpassung bei der Portfolio-Arbeit erforderlich. Im Zuge dieser Reform haben wir die Auswahl der einzelnen Module vollständig freigegeben. Vor diesem Hintergrund nimmt die Herausforderung einer Integration der Lernerfahrungen in den individuell zusammengestellten Modulen für die Programmteilnehmenden zu. Da unsere Programmteilnehmenden zudem sehr grossen Wert auf möglichst viel Flexibilität bei der Umsetzung der Transferaufträge legen (um diese dadurch bestmöglich mit aktuellen Arbeitsanforderungen in Passung zu bringen) verzichten wir mittlerweile auf eine Bewertung der Transferaufträge. Folglich ist die Portfolio-Arbeit jetzt das einzige bewertete Element im Rahmen des CAS “Bildungsmanagement”. Entsprechend wichtig ist, dass die Programmteilnehmenden die Anforderungen an diese Arbeit und die Bewertungsgrundlagen gut verstehen. Da wir nach wie vor beobachten konnten, dass Teilnehmende es herausfordernd finden, die verschiedensten eigenen Lernaktivitäten (vgl. Auflistung unten) in einen Zusammenhang zu stellen und zu reflektieren, haben wir ein “Arbeitsbuch Entwicklungsportfolio” erstellt, das den gesamten Weiterbildungsprozess begleitet. Diese Arbeitsbuch umfasst die folgenden Elemente, die über die Leitfragen ihren Niederschlag in den Reflexionsberichten finden:
- unterschiedlich detaillierte Visualisierungen zum Portfolio-Prozess
- Standortbestimmung (Aufgaben, verfügbare Kompetenzen, Entwicklungsfelder, Entwicklungsziele)
- persönliche Programmplanung (Module & Zeitplan)
- Logbuch-Kapitel zu den einzelnen Modulen mit Abschnitten zu
- Vorbereitung / Selbststudium
- Präsenzseminar
- Transferphase
- Fragen aus dem Arbeitsalltag an den Weiterbildungskontext und umgekehrt
- Erfahrungen mit digitalen Lernmedien im Rahmen des Programms
- Bewertungskriterien für die Portfolio-Arbeit
Damit ist eine umfangreiche Arbeitshilfe entstanden (ca. 70 Seiten, vgl. Abbildung 3).
Abbildung 3: Arbeitsbuch Entwicklungsportfolio, Stand 2015
Die Anleitung und Unterstützung für den Portfolio-Prozess wurde damit deutlich ausgeweitet. Hier könnte eingewendet werden, dass damit der Anspruch an die Arbeitsleistung der Programmteilnehmenden beim Erstellen einer Portfolio-Arbeit sinkt. Wir argumentieren umgekehrt und sagen, dass erst eine solche umfassende Anleitung den Prozess für unsere Programmteilnehmenden wirklich bewältigbar macht. Schliesslich geht es dabei um anspruchsvolle Ziele. Die Portfolio-Arbeit soll dabei unterstützen,
- die eigene Kompetenzentwicklung integrierend darzustellen;
- die eigene Kompetenzentwicklung aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten und gegebenenfalls;
- steuernd in die weiterlaufende eigene Kompetenzentwicklung einzugreifen (z.B. durch eine Anpassung der eigenen Zielsetzungen nach dem Zwischenbericht);
- die Programmteilnehmenden mit einer Form der Entwicklungsbegleitung vertraut machen, die auch für deren eigene Bildungsprogramme relevant sein kann;
- eine Haltung als „reflektierende Praktiker“ zu verinnerlichen und diese auch nach Ende der Weiterbildung weiterzutragen.
Gleichzeitig mit der umfassenderen Unterstützung durch das Arbeitsbuch haben wir das Format, in dem die Leitfragen bearbeitet und beantwortet werden freigegeben. Wir ermutigen unsere Programmteilnehmenden hierbei neue Wege zu gehen und das Erstellen der Portfollio-Arbeit als Gelegenheit für die Weiterentwicklung der eigenen Medienkompetenzen zu nutzen. Die daraus resultierenden Ergebnisse, sei es als traditionelles Office-Dokument, als Präsentation (PowerPoint, Prezi, Sway), als Webseite oder als Video sind aus meiner Sicht immer häufiger nicht nur optisch sondern auch inhaltlich sehr gelungen (vgl. Abbildung 4).
Abbildung 4: Impressionen zu verschiedenen Portfolio-Arbeiten
Natürlich gibt es immer Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Eine aus unserer Sicht weiterhin bestehende Herausforderung bei einigen Arbeiten besteht darin, klarer zu unterscheiden zwischen Beschreibung (z.B. Ausrichtung einer Transfer-Ausarbeitung), Reflexion (z.B. Einordnung in Bezug auf behandelte Konzepte, Methoden, etc.) und Ableiten von Konsequenzen (z.B. künftiges eigenes Handeln) und insbesondere die Reflexion und das Ableiten von Konsequenzen zu intensivieren. Von daher werden wir irgendwann in eine nächste Runde der Überarbeitung einsteigen…
In einem nächsten Blogbeitrag lassen wir einige Teilnehmende aus unseren Programmen zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen aus der Umsetzung ihrer Portfolio-Arbeiten berichten.
Weiterführende Berichte zum Thema:
Jenert, Tobias & Brahm, Taiga (2013). Ein e-Portfolio-Konzept zur Integration heterogener Lernvoraussetzungen und Studienerfahrungen in der Lehrerbildung. journal für lehrerInnenbildung.
van Treeck, Timo; Himpsl-Gutermann, Klaus & Robes, Jochen (2013). Offene und partizipative Lernkonzepte: E-Portfolios, MOOCs und Flipped Classrooms. L3T.eu
[…] im vorherigen Beitrag zum Thema (Portfolio-Arbeit – Teil 1) angekündigt, haben wir Stimmen zur Portfolio-Arbeit von Teilnehmenden aus unseren […]