Auf der Grundlage von aktuellen Umfrageergebnissen entwickelt Josh Bersin ein Leitbild für die Personalentwicklung in Unternehmen und Organisationen: jenseit der Entwicklung von Wissen, Fertigkeiten und Kompetenzen geht es um das Ermöglichen von Wachstum der Mitarbeitenden (“growth”).
the joshbersin company hat kürzlich eine Studie zum Stand und zur Ausrichtung von L&D in Unternehmen publiziert. Für die Studie (“Growth in the flow of work – The definitive guide to corporate learning”) wurden Vertreter:innen von etwa 1’000 Firmen weltweit befragt.
Unterschiedlich gut entwickelte Gestaltungsfelder
Unter anderem wurden die Teilnehmenden in der Studie gefragt, in welchen Aufgabenbereichen sie aus ihrer Sicht gut unterwegs sind. Das Ergebnis zu dieser Frage zeigt die folgende Abbildung:
Die Gestaltungsbereiche mit der stärksten Ausprägung (gemäss der Selbsteinschätzung der Befragten) sind “Organisation und Governance” sowie “Führungskräfte-Entwicklung”. Die Gestaltungsbereiche mit der schwächsten Ausprägung sind die Umsetzung von Personalentwicklung “in the flow of work”, “Skills-Management”, “Karriere-Management”, und “Coaching / Mentoring”.
Karriere-Management und Entwicklungspfade als zentrales Arbeitsfeld für L&D
Die Teilnehmenden an der Studie wurden auch danach befragt, welche Praktiken im Bereich L&D besonders wichtig sind und einen hohe Wirkkraft (“impact”) im Hinblick auf finanzielle Ergebnisse, HR-Parameter sowie Wachstum und Innovationskraft der Gesamtorganisation entfalten. Abbildung 2 zeigt zum einen die 15 am höchsten gewichteten Praktiken (links). Nach dem am höchsten gewichteten Aspekt “Karrierepfade” folgen auf Platz zwei ein Aspekt der Führungskräfteentwicklung und auf Platz drei ein Aspekt der Lernkultur. Die Auswertung zeigt aber auch, dass von diesen 15 wichtigsten Praktiken auffällig viele (fünf) dem Gestaltungsbereich “Career Management” zugeordnet werden können (rechts).
Bersin betont in seinem Blogpost dementsprechend auch die besondere Bedeutung dieses Gestaltungsbereichts für wirksame Personalentwicklung. Und er liefert eine Übersicht über die verschiedensten Aspekte, die mit dem Thema “Growth in the flow of work” zusammenhängen (Abb. 3).
Growth / Entwicklung als übergeordnetes Ziel der Personalentwicklung
Bersin stellt in seinem Beitrag heraus, dass das eigentliche Ziel der Arbeit von Personalentwicklern nicht darin besteht, Wissen zu entwickeln, oder Fertigkeiten oder Kompetenzen (Capabilities). Das ist alles wichtig. Aber letztlich geht es, so Bersin, darum, dass die Beschäftigten Wissen und Fertigkeiten anwenden können, neue Aufgaben und neue Rollen übernehmen können:
Und wenn die Beschäftigten dann Erfahrung mit diesen neuen Aufgaben und / oder Rollen gesammelt haben, dann sind sie nicht nur persönlich gewachsen, sonden auch in der Lage, einen wichtigen zusätzlichen Beitrag zum Erfolg der Gesamtorganisation zu leisten. Vor diesem Hintergrund (und den von Bersin konstatierten hohen Fluktuationsraten bei Beschäftigten) kommt Aspekten wie dem Karrieremanagement und der Gestaltung von übergreifenden Entwicklungspfaden eine besondere Bedeutung für wirksame Personalentwicklungsarbeit zu.
Das Konzept “Growth” (Wachstum) bleibt für mich in den Artikeln bzw. Videos noch etwas unscharf. So wie ich es verstehe, geht es darum, den Beschäftigten jenseits von Wissens- und Kompetenzentwicklung die Möglichkeit zu geben, Erfahrungen mit neuen Aufgaben und Rollen zu sammeln und sich damit nicht nur persönlich weiterzuentwickeln, sondern auch einen wichtigen Beitrag zum Erfolg der Gesamtorganisation zu leisten. Damit kommt Aspekten wie dem Karrieremanagement und der Gestaltung von sowie der Begleitung auf übergreifenden Entwicklungspfaden eine besondere Bedeutung für wirksame Personalentwicklungsarbeit zu.
Zwei Beispiele: Walmart und Rocket Central
Wie eine solche auf Wachstum ausgerichtete Personalentwicklung konkret umgesetzt werden kann, dazu finden sich in den Berichten nicht viele Details. Stichworte, die sich in den Abbildungen finden, sind u.a. die folgenden:
- Talent- bzw. Karriere-Marktplätze
- Skills-basierte Entwicklungspläne
- Formalisierte Job Rotation
- Bewertung von Führungskräften u.a. auf Basis der Mobilität ihrer Mitarbeitenden
- Agile Vergütungsmodelle
Bersin führt verschiedene Beispiele an, unter anderem Walmart und Rocket Central. Bei Walmart wurde ein “Live Better U”-Programm entwickelt (hier ein Factsheet von Walmart), dass Mitarbeitende in den Filialen ermutigen soll, durch voll finanzierte Weiterbildung (inkl. Studiengänge) neue Aufgaben übernehmen zu können. Und bei Rocket Central wurde ein Team von “Trive-Coaches” etabliert, das Mitarbeitende dabei unterstützt und berät, passende nächste Aufgaben und Rollen zu erkennen, passende Weiterbildungen zu finden sowie die Bewerbung und den Umstieg zu bewältigen.
Orientierungsrahmen für Bildungsbereiche
In einer Kurzzusammenfassung (Infografik) finden sich verdichtet die sieben wichtigsten Ergebnisse der Studie:
Und dort findet sich auch eine Übersicht dazu, welche Leistungen betriebliche Bildungsbereiche künftig liefern sollten (“What”) und wie sie dies umsetzen können (“How”). Diese Zusammenstellung wird als “Corporate Learning Framework” bezeichnet.
Verweise:
Bersin, Josh (2022): A new strategy for corporate learning: growth in the flow of work. joshbersin.com, 10. August 2022.
Joshbersin.com (2022a): The New Role for Corporate L&D: Growth In The Flow Of Work. (Video, ca. 10 Minuten, mit ausgewählten Ergebnissen der Studie)
Joshbersin.com (2022b): The Definitive Guide to Learning: Growth in the Flow of Work. (Infografik mit ausgewählten Ergebnissen der Studie)
Beitragsbild:
Corporate Learning Maturity Model (Quelle: Joshbersin.com 2022b)
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