Learning Analytics bezeichnet die Sammlung und Auswertung von Prozessdaten zu Lehr- und Lernaktivitäten mit dem Ziel, Lehr-Lernprozesse besser zu verstehen und zielorientiert gestalten zu können. Learning Analytics war auch das Leitthema der 11. Durchführung der Learning Innovation Konferenz 2020, die Anfang der Woche über die virtuelle Bühne ging.
Leitfragen für die Konferenz
Die von Daniel Stoller-Schai (collaboration design) moderierte Veranstaltung war entlang von sechs Leitfragen strukturiert:
- Was ist möglich?
- Was ist wichtig?
- Wie komme ich zu Daten?
- Wie interpretiere ich Daten?
- Wie spreche ich über Daten?
- Wie verbessere ich Lernen?
Big Data und Analytics
Eine Einführung in das Thema Learning Analytics lieferte Prof. Dr. Diego Kuonen (CStat Pstat / Universität Genf) unter dem Titel “Big Data und Analytik: Freunde oder Feinde vom Lernen der Zukunft?”. Daten, so Kuonen, sind der Kraftstoff der digitalen Transformation, Analytik der damit betriebene Motor. Und er stellte heraus, dass Analytik (auch Learning Analytics) als kontinuierlicher Verbesserungsprozess verstanden werden sollte.
Was ist möglich?
Unter der Überschrift “Was ist möglich?” folgten zwei kurze Beiträge von Daniel Stoller-Schai (collaboration-design) und Emmerich Stoffel (Swisscom). Daniel Stoller-Schai zeigte u.a. eine Übersicht zu verschiedenen Einsatzszenarien für Learning Analytics im Kontext der Gestaltung und Unterstützung von Lernprozessen. Emmerich Stoffel konkretisierte dies anschliessend für die Umsetzung bei Swisscom. Dabei zeigte er u.a. auf, welche Ziele bei Swisscom mit Learning Analytics verfolgt werden: Benchmarking der Wirksamkeit von Lernumgebungen; Personalisierung von Lernaktivitäten und -angeboten; Empfehlungen für Lernangebote; Erhöhen des Engagements in Lernprozessen; Reduktion von Kosten zu zielgenaueres Zuweisen von Lerninhalten, etc.
Was ist wichtig?
In diesem Teil berichtete Alexander Donders, Head Business Intelligence & Analytics, SIX Swiss Exchange, zum Thema “Turning Data into Insights – Wie die Schweizer Börse “Analytics” lernt und lehrt”. Er zeigte zum einen auf, wie die von seinem Team für die internen Kunden entwickelten Produkte (häufig Dashboards zur Visualisierung von Daten) aussehen. Zum anderen thematisierte er auch, welche Kompetenzen es im Analytics-Team braucht und wie sich das Team in verschiedenen Kompetenzbereichen weiterentwickelt, um diese Dienstleistungen zu erbringen.
Daten-basierte Modellierung von Lernstrategien als Voraussetzungen für Unterstützungsangebote
In einem weiteren Keynote-Vortrag zeigte Prof. Tanja Käser, Education and Training Laboratoy, ETH Lausanne (EPFL), anhand einer gamifizierten Lernumgebungen für Schülerinnen und Schüler auf, wie Lernstrategien auf der Grundlage von Datenanalysen erkannt und modelliert werden können, um auf dieser Grundlage dann Lerner- bzw. Lernstrategie-spezifische Unterstützungsangebote anbieten zu können.
Wie komme ich zu den Daten?
Für Learning Analytics braucht es (viele) nutzerspezifische Prozessdaten. Dieser Aspekt wurde von Maxime Gabella, Gründer und CEO von MAGMA Learning, in seinem Beitrag “How to generate Learning Data actively” aufgegriffen. Wenn Lernende beispielsweise mit einer Lernapp wie ARI 9000 interagieren (Inhalte lesen, Fragen beantworten, etc.) werden Prozessdaten erzeugt, die dann für Auswertungen genutzt werden können. Ein Aspekt dabei ist, dass diese Daten auch so visualisiert werden können, dass für die Nutzer Wissenslücken ebenso wie Wissenserweiterungen sichtbar werden – und damit eine motivierende Wirkung entfaltet werden kann.
Wie interpretiere ich Daten?
Bodil Neuenschwander, CoorpAcademy SA, beleuchtete in ihrem Beitrag Aspekte der Interpretation von Daten. So zeigte sie anhand von Daten zu Testfragen auf, welche Hinweise für die Gestaltung einer Test-Dramaturgie sich daraus ableiten lassen:
Wie verbessere ich Lernen?
Der Beitrag von Dr. Wolfram Jost, imc AG, zu Learning Analytics erfolgte aus der Perspektive des (Top-)Managements. Er stellte zum einen typische, für das (Top-)Management relevante Erfolgsindikatoren zu Lernen und Personalentwicklung heraus und verwies auf die Notwendigkeit, Daten zu Lernen / Personalentwicklung mit Geschäftsdaten zu verknüpfen. Er verwies auch auf Entwicklungsarbeiten bei imc AG zu Analytics Dashboards, über die entscheidungsrelevante Informationen zusammengestellt werden können.
Learning Analytics aus einer didaktisch-technologischen Perspektive
Im abschliessenden Keynote-Vortrag betrachtete Prof. Dr. Per Bergamin, Fernfachhochschule Schweiz, Learning Analytics aus einer, so der Vortragstitel, didaktisch-technologischen Perspektive. Dabei hat er u.a. ein Fallbeispiel zur Anwendung von Learning Analytics im Kontext der Informatik-Ausbildung (Objektorientiertes Programmieren, Stufe Hochschule) gezeigt, bei dem – auf der Basis eines adaptiven Systems und entsprechender Prozessdaten – weniger detaillierte Aufgabenschritte für stärkere Studierende und mehr / detailliertere Aufgabenschritte für schwächere Studierende bereitgestellt wurden.
Veranstaltungsplattform
Interessant war aus meiner Sicht auch die technische Plattform, über die die Konferenz abgewickelt wurde. Zum Einsatz kam hier remo.co. Remo bietet – neben der bekannten Sicht auf Vortragende und ihre Folien – auch eine grafische Repräsentation eines Veranstaltungsraums mit Tischgruppen. Mit einem Mausklick auf einen freien Sitzplatz bewegt man sich zu dem jeweiligen (Themen-)Tisch und eine Videokonferenzschaltung mit den dort befindlichen Personen wird aufgebaut. Allerdings wurde das damit gegebene Potenzial für Diskussionen und Arbeitsaufträge in Tischgruppen im Rahmen dieser Veranstaltung nicht ausgeschöpft – dafür war das Programm dann doch zu sehr auf Vorträge ausgerichtet.
Fazit
Insgesamt bot diese Ausgabe der Learning Innovation ein interessantes und gut strukturiertes Programm zu verschiedenen Facetten im Themenfeld Learning Analytics. Und Daniel Stoller-Schai hat die Veranstaltung sehr angenehm moderiert.
Wer das Thema “Learning Analytics” (und auch “Teaching Analytics”) weiter verfolgen und in Richtung einer Umsetzung in der eigenen Bildungsorganisation vorantreiben möchte, kann dies im Rahmen unseres Weiterbildungsmoduls “Datenbasiertes Bildungsmanagement” Ende Februar tun. Themen sind u.a.
- Bildungsprozess / Wertschöpfungskette, technische Plattformen und Prozessdaten;
- Daten, Datenmanagement, Datenanalyse, Datenschutz;
- Qualitätsentwicklung und Wirkungsanalyse auf der Grundlage von Teaching Analytics / Learning Analytics;
- Umsetzung: Analyse der eigenen Rahmenbedingungen / Projektskizze.
Und hier noch der Verweis auf ein Fundstück zum Thema Analytics, das schon eine Weile darauf wartet, publiziert zu werden: Ben Betts von learningpool (UK) hatte vor einiger Zeit ein Reifegradmodell und ein Canvas zum Thema Learning Analytics vorgestellt.
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