Das Thema “Learning Leadership” verfolgen wir nun schon einige Jahre und diskutieren jedes Jahr Herausforderungen und mögliche Gestaltungsansätze mit Learning Professionals aus der Praxis: siehe scil-Seminar im Oktober 2015
In dem heutigen Blogbeitrag möchten wir von aktuellen Ergebnissen zum Thema berichten:
In unserer scil Trendstudie 2015/2016 (im September erscheint der komplette Ergebnisbericht) interessiert uns, welche Gründe die befragten Learning Professionals sehen, warum Führungskräfte in der Praxis ihre Rolle als Personalentwickler noch oft unzureichend ausüben:
Obwohl Führungskräfte einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren für erfolgreiches Lernen und Veränderung in Organisationen darstellen, wird in der Praxis eine lernförderliche Führungsarbeit oftmals kaum gelebt. Worin sehen Sie die Hauptproblematik?
Rang | Aussage | Mittelwert |
1 | Führungskräfte haben keine Zeit im Tagegeschäft für Mitarbeiterentwicklung. | 0.73 |
2 | Führungskräften fehlt es an Wissen, wie man konkret das Lernen in der Organisation unterstützen kann. | 0.72 |
3 | Führungskräfte sind sich dieser Aufgabe und Anforderung gar nicht richtig bewusst. | 0.68 |
4 | Führungskräfte fehlt es an Motivation, um diese Aufgabe gut auszufüllen. | 0.29 |
5 | Andere Gründe, z.B. Führungskräfte werden an anderen Zielen gemessen. | 0.13 |
Statistische Lesehinweise: Die Teilnehmer konnten die einzelnen Lernelemente jeweils auswählen (ja (1), nein (0)). Über Mittelwert Berechnung ist ersichtlich, dass ein höherer Mittelwert für eine häufigere Auswahl steht und ein niedriger Mittelwert für eine geringere Auswahl.
Die Top zwei Antworten liegen vom Ergebnis sehr nah beieinander. Die fehlende Zeit im Tagesgeschäft ist sicherlich eine nachvollziehbare Antwort, wenn man sich die vielfältigen Aufgaben von Führungskräften, den hohen Stress- und Erfolgsdruck und die häufigen Restrukturierungs- und Veränderungsprozesse in den Organisationen betrachtet.
Mit Blick auf die aus dem Change Management bekannte Systematik des „nicht-wollen“, „nicht-dürfen“, „nicht-können“ und „nicht-müssen“, zeigt unser Ergebnis eine geringe Ausprägung des Bereichs „nicht-wollens“ (Motivationsaspekt). Vielmehr scheinen die Gründe – neben der täglichen Arbeitsbelastung – in dem „nicht-wissen“ zu liegen, d.h. es fehlt an konkretem Wissen und Ideen für eine lernförderliche Führungsarbeit und noch zu wenig Bewusstsein bei den Führungskräften selbst darüber, wie bedeutsam sie im Lernprozess sind. Wir haben bei scil einen Bezugsrahmen für eine lernförderliche Führungsarbeit mit vier Handlungsbereichen entwickelt:
Ausgehend von diesem Rahmenkonzept haben wir die Teilnehmenden unserer Trendstudie gefragt in welchen dieser vier Bereiche sie den grössten Entwicklungsbedarf sehen:
Wo sehen Sie Entwicklungsbedarf?
Rang | Thema / Trend (Realisierung) | ist bereits umgesetzt | kurzfristig umgesetzt (< 6 Monate) | mittelfristig umgesetzt (6 Monate – 2 Jahre) | langfristig umgesetzt (> 2 Jahre) | wird nie umgesetzt |
1 | Rahmenbedingungen für Lernen ermöglichen und schaffen. | 34% | 6% | 17% | 22% | 21% |
2 | Leadership Commitment zeigen zum Thema “Lernbegleiter”. | 14% | 13% | 29% | 34% | 10% |
3 | Eine aktive Rolle in formellen und informellen Lernformen. | 17% | 14% | 36% | 23% | 10% |
4 | Tägliche Führungssituationen lernförderlich gestalten. | 11% | 14% | 30% | 34% | 11% |
Rahmenbedingungen für Lernen ermöglichen und schaffen: Dieser Handlungsbereich betont die Notwendigkeit von lernförderlichen Rahmenbedingungen („supportive conditions“), die Führungskräfte mitgestalten sollten. Mit Blick auf konkrete Lern- und Entwicklungsangebote kommt Führungskräften vor allem die Aufgabe zu, sicherzustellen, dass Mitarbeitende Zeit und Ressourcen haben, sich auf eine Bildungsmassnahme vor- und nachzubereiten, dass ihre Abwesenheit am Arbeitsplatz geregelt ist und dass informellem Lernen im täglichen Arbeiten Raum gegeben wird (vgl. Fandel-Meyer/Seufert, 2012). Andererseits sind aber auch Lernräume, wie beispielsweise die Formulierung eines „stretch assignments“ („Lern- und Entwicklungsprojekt“) und ein Führungsstil gemeint, der Mitarbeitenden bewusst Freiräume einräumt, um eigenverantwortlich nach Lösungen und Entwicklungsoptionen suchen zu können.
In der aktuellen Trendstudie zeigt sich noch ein Entwicklungsbedarf, obschon 34% der befragten Experten diesen Aspekt heute schon als gut umgesetzt bewerten. Von der zeitlichen Planung ist es ein Thema, das eher mittel- bis langfristig umgesetzt werden soll (d.h. 6 Monate – 2 Jahre). Mit 21% „wird nie umgesetzt“ ist das der höchste Wert in den vier Handlungsbereichen.
Leadership Commitment zeigen zum Thema “Lernbegleiter”: Indem sich Führungskräfte der Bedeutung eines kontinuierlichen Lernens im Sinne der Idee der „Lernenden Organisation“ bewusst sind und dieses auch explizit wertschätzen, zeigt sich das Commitment der Führungskräfte. Beispielsweise werden Aktivitäten eines Mitarbeitenden zum Wissens- und Erfahrungsaustausch im Team (z.B. Blog- und Communitybeiträge, Learn & Lunch Treffen) als wertvoll betrachtet und auch dementsprechend kommuniziert. Für ein „gelebtes“ Commitment von Führungskräften zum Lernen erscheint es auch bedeutsam, eine lernförderliche Führungsarbeit in Organisationen normativ zu verankern (z.B. in Form von „lernorientierten Führungsleitlinien).
In der aktuellen Trendstudie zeigt sich noch ein grosser Entwicklungsbedarf – lediglich 14% der befragten Experten empfinden das Leadership Commitment im Lernen heute schon als ausreichend gegeben. Von der zeitlichen Planung ist es ein Thema, das eher mittel- bis langfristig umgesetzt werden soll (d.h. 6 Monate – 2 Jahre).
Eine aktive Rolle in formellen und informellen Lernformen: Im Bereich des formellen Lernens bieten Seminare und Lehrgänge, insbesondere bei Formaten mit Transferkomponenten („Blended Learning Designs“) verschiedene Möglichkeiten für Führungskräfte, Mitarbeitende in der Vorbereitung, in der Durchführung und in der Nachbereitung zu unterstützen (z.B. Transfergespräche führen). Ein weiteres Gestaltungsfeld, Führungskräfte systematisch in Bildungsprozesse einzubeziehen, ist die Möglichkeit, sie aktiv in Seminaren, Trainings und Weiterbildungsprogrammen einzubinden. Häufig versprechen sich Unternehmen damit nicht nur die Weitergabe von Experten- und Erfahrungswissen, sondern auch eine Stärkung der Vorbildfunktion von Führungskräften, sich für Lernprozesse Zeit zu nehmen. Im Bereich des informellen Lernens bieten arbeitsplatzintegrierte Lernformate verschiedene Ansätze für Führungskräfte das Lernen in der Organisation zu unterstützen. Im Fokus stehen hier die Ermöglichung und die Bereitstellung von Rahmenbedingungen für ein individualisiertes Lernen und Wissensaustausch in Teams, unterstützt durch personale und medienbasierte Supportstrukturen. Beispielsweise können Führungskräfte Ressourcen für eine Moderation, Begleitung und Pflege von virtuellen „Learning communities“ bereitstellen, um den Wissens- und Erfahrungsaustusch im Team bzw. in der Organisation zu unterstützen.
In der aktuellen Trendstudie zeigt sich noch ein grosser Entwicklungsbedarf – lediglich 17% der befragten Experten empfinden die aktive Rolle von Führungskräften im Lernen heute schon als ausreichend erfüllt. Von der zeitlichen Planung ist es ein Thema, das eher mittel- bis langfristig umgesetzt werden soll (d.h. 6 Monate – 2 Jahre). Mit 21% „wird nie umgesetzt“ ist das der höchste Wert in den vier Handlungsbereichen.
Tägliche Führungssituationen lernförderlich gestalten: Durch die jeweilige Führungskraft (mit-)geprägte Interaktionssituationen können immer auch als Lernsituationen verstanden und gestaltet werden. Dies soll kurz an einer typischen Führungssituation verdeutlicht werden: „Als Führungskraft Wissensaustausch und Reflexionsprozesse in Teams fördern“: Eine eher formalisierte Situation bieten die oftmals regelmässig stattfindenden Teambesprechungen, die immer auch Anlässe bieten, das eigenverantwortliche Lernen der Mitarbeitenden zu unterstützen. Beispielsweise können Teammitglieder von aktuellen Projekten oder Weiterbildungsveranstaltungen berichten. Führungskräfte können auch Technologien nutzen, um im Team zu kommunizieren und Reflexionsprozesse zu unterstützen – beispielsweise über Blog- oder Community-Beiträge. Insbesondere wenn ein Wissensaustausch über technologiebasierte Netzwerke in der Organisation gewünscht und erforderlich ist, stellt es einen zentralen Erfolgsfaktor dar, dass Führungskräfte diese Kommunikationsmethoden kennen und sich idealerweise aktiv daran beteiligen.
In der aktuellen Trendstudie zeigt sich noch ein grosser Entwicklungsbedarf – lediglich 11% der befragten Experten empfinden das tägliche Führungssituationen heute schon genügend als Lernsituationen gestaltet sind. Das ist der geringste Umsetzungswert von den vier Handlungsbereichen und bietet daher noch viel Innovationspotenzial für die Zukunft. Von der zeitlichen Planung ist auch das ein Thema, das eher mittel- bis langfristig umgesetzt werden soll (d.h. 6 Monate – 2 Jahre).
[…] scil diskutieren wir diesen Aspekt unter dem Stichwort „Learning Leaders bzw. Lernförderliche Führungsarbeit“ und haben uns zum Ziel gesetzt im Rahmen unseres diesjährigen Forschungsprogramms, neue […]