In ihrem aktuellen Buch “Modern Workplace Learning: a resource book for L&D” widmet sich Jane Hart der Frage: “Wenn sich das Lernen in Organisationen in Zukunft weiter verändern wird, welche Rolle spielen dann Learning Professionals? Welche neuen Kompetenzen braucht es?” Ihre Gedanken verdichtet die Autorin in folgender Abbildung:
Diese „dichte Grafik“ habe ich versucht in ihren Bestandteilen näher zu verstehen und mit unseren Gedanken zur verändernden Rolle von Learning Professionals zu verknüpfen:
Es werden zunächst 4 Aufgaben- bzw. Wirkungsfelder aufgeführt, die einen unterschiedlichen Wert generieren und auf einen unterschiedlichen Autonomielevel abzielen: 1. Modern Training Service, 2. Social Collaboration Service, 3. Personal Learning Service & 4. Performance Consulting Service.
Innerhalb dieser Wirkungsfelder werden 9 Rollenbilder eingeführt, die im Folgenden kurz skizziert werden: 1. Learning Experience Designers, 2. Trainers & Facilitators, 3. Resource Designers, 4. App Developers, 5. Curators, 6. Community Managers, 7. Social Collaboration Consultants, 8. Performance Consultants & 9. Personal Learning Advisors.
1) Modern Training Services:
- In der Bezeichnung „Learning Experience Designer“ kommt zum Ausdruck, dass es zwar immer noch um die Erstellung von Trainingsinhalten oder elearning Content geht, aber vor allem steht in der Zukunft verstärkt das kreieren von Kundenerfahrungen / Lernerlebnissen im Vordergrund. Dies erfordert Wissen und Fähigkeiten zu bspw. mobilen Lernszenarien, Einsatz von „spielerischen“ Lerndesigns oder Design von individualisierten Lernpfaden.
- Trainer & Facilitator: Dies ist die uns am vertrautesten Rolle – obschon die Ergänzung „Facilitator” auf ein Verständnis von Lernen & Lehren hinweist, das sich stark an dem Gedanken einer „Ermöglichungsdidaktik“ (Arnold) orientiert. Jane Hart geht davon aus, dass diese Rolle in Organisationen – zumindest kurzfristig – weiterhin Bestand haben wird. Aber sie weist auch deutlich darauf hin, das Präsenzseminare/Trainings ein „Update“ brauchen, z.B. Integration von Social Media Elementen und der Shift von „sage on the stage“ zu „guide on the side“. Es geht hier verstärkt um die Gestaltung von “Learning Journeys”, statt um eine reine Vermittlung von Inhalten. Heutige Trainer/-innen müssen demnach ein hohes Mass an Wissen im Bereich innovativer Lern- und Lehrformen mitbringen, sich davon verabschieden, dass die vermittelnden Inhalte das sind, was sie ausmacht und statt dessen den Lernenden/Kunden noch viel stärker in den Blick nehmen und ein interaktives Lernen ermöglichen.
- Curators: Diese Rolle finde ich sehr spannend. Damit ist gemeint, dass sich Learning Professionals die Fülle an wertvollen Open Educational Resources (OER) zu Nutze machen können und für ihre Zielgruppen relevante Themen präsentieren und verdichten können. Diese kuratierte Websammlung setzen wir beispielsweise als Einstimmung auf einen Workshop zu Lernkultur ein. Learning Professionals müssen für diese Rolle aktiv und kontinuierlich Trends und Entwicklungen im Netz verfolgen, sich mit Curation-Tools vertraut machen und gute Ideen entwickeln für einen wertstiftenden Einsatz in Lernsettings.
- Job Aid Designers/Resource Designers: Mit dieser Rollenbeschreibung verweist Hart auf die Bedeutung von Spezialisten, die den Performance Support im Fokus haben. Diese Designer kreieren Tools/Arbeitshilfen in relevanten Formaten (von Texten bis hin zu Videos) und verfügen beispielsweise über Fähigkeiten im Bereich des Information Design, Visual Design und Erstellung von Micro-Content (z.B. Lernnuggets).
- App Developers: Als (vorläufig) letztes Puzzle-Teil in dem Rollenbündel der „Modern Training Services“ führt Hart die Entwicklung von Apps zum Einsatz in Lern- & Entwicklungssettings auf, die ein gutes Wissen in der Entwicklungen von mobilen Lernangeboten und wearables voraussetzt.
2.) Social Collaboration Service
In diesem Wirkungsfeld führt Jane Hart die Rollenbilder Collaboration Consultants und Community Manager auf: Hierbei geht es um die Befähigung von Mitarbeitenden/Teams/Managern für einen sicheren und sinnvollen Umgang mit neuen Lern- und Arbeitsformen. Der Community Manager fokussiert zudem beispielsweise die bereichsübergreifende Vernetzung und unterstützt/ermöglicht informelle Lernprozesse im Arbeitsprozess.
3.) Personal Learning Service
Die Rolle von Personal Learning Advisors sehe ich als einer der spannendsten für uns Learning Professionals zu entdecken bzw. noch weiter auszubauen. Es geht hier um eine enge Zusammenarbeit mit Mitarbeitenden und Führungskräften mit dem Ziel:„to help build a continious learning worker mindset, to help individuals become independent learners, and to help build new personal learning skills“. Betrachtet man sich die von Jane Hart aufgeführten Skills, sehe ich auch hier noch vermutlich das grösste „Neuigkeitspotenzial“ in der Kompetenzentwicklung von Learning Professionals. Beispiele:
- „good knowledge of the different ways (and places) to learn – formal and informal – on the Web and in other places”,
- „excellent knowledge and skills in building a personal network (PLN)” oder
- „good understanding of how to use the Web to keep up to date with industry and profession” (Diesen Punkt bezeichnen wir bei scil als „systematisches Trendmonitoring“. Dazu hatten wir 2015 eine interessante Gastblogger Reihe, u.a. mit SAP, Jochen Robes).
4.) Performance Consulting Service
Bei der Rolle von Performance Consultants geht es um die Unterstützung der Anspruchsgruppen im Unternehmen in der effizienten und effektiven Ausübung ihrer Aufgaben. Wichtige Fähigkeiten zur Ausübung dieser Rolle sind nach Hart beispielsweise:
- „wide knowledge of how business performance problems might be adressed in the modern workplace“ oder
- „a good understanding of the feasibilaty, cost, and implications of any technology-enabled initiatives”.
Die erweiterten Aufgaben und Wirkungsfelder von Learning Professionals gehen auch einher mit einer kritischen Reflexion der eigenen Einstellung/Mindset. Jane Hart sieht diese Aspekte als zentral in dem Veränderungsprozess (Hart, 2015, S. 74):
Sehr wichtig finde ich noch folgenden Gedanken (Hart, 2015, S. 74) :
Wenn wir uns Gedanken über neue Aufgaben und Kompetenzen von Learning Professionals machen, ist das untrennbar mit der Frage verbunden, inwiefern sich als Ergebnis dieser Überlegungen die Rolle von Mitarbeitenden und Führungskräften verändern muss/sollte/kann. Im Rahmen der scil Weiterbildungsseminare und Programme diskutieren wir daher oft dieses „Dreieck der Rollen & Verantwortlichkeiten“:
Die von Jane Hart skizzierten Aufgaben- und Wirkungsfelder und die damit verbundenen (neuen) Kompetenzen, zeigen ein interessantes Bild von “Learning Professionals der Zukunft“ auf. Es müssen gemäss den Ausführungen von Jane Hart auch nicht alle L&D Professionals gleichermassen über alle diese geforderten Kompetenzen verfügen, aber jetzt ist ein guter Zeitpunkt, sich noch stärker mit Blick auf die neuen Rollenbilder zu spezialisieren. Für L&D/Personalentwicklungsbereiche kann es spannend sein, anhand der hier skizzierten Wirkungsfelder, Rollen und Kompetenzen eine Standortbestimmung für das eigene Team vorzunehmen und zugleich zu diskutieren, inwiefern eine Veränderung bzw. Anreicherung um diese Gedanken sinnvoll für die eigene Weiterentwicklung des Learning Teams sein kann.