Vor dem Hintergrund der breiten Diskussion um das Zusammenspiel von formellem und informellem Lernen sowie dem Zusammenfliessen von Arbeiten und Lernen in Unternehmen und Organisationen stellen sich viele Fragen zu Lernarchitekturen – verstanden als Schnittfläche von Raumgestaltung, Medieneinsatz und Gestaltung von Lehr-Lernprozessen.
Diese Woche waren wir dazu im Rahmen unseres Tagesworkshops zum Thema „Learning spaces: thinking out of the box“ zu Gast bei Swisscom in Bern. Gastgeber war Roland Brunner, Senior Learning Specialist, Group Human Resources Development, Learning & Training bei Swisscom und dabei waren ein gutes Dutzend Vertreter aus Bildungsbereichen verschiedener Unternehmen.
Der Vormittag stand im Zeichen von Human Centered Design und der Neugestaltung von Arbeits- und Besprechungsräumen im Gebäude Genfergasse 14 der Swisscom in Bern. Karin Hilzinger, Senior Expert Human Centered Design & Spaces bei Swisscom, führte uns in die Hintergründe dieses Veränderungsvorhabens ein: Vorgaben bezüglich der Verbindung von Tradition und Innovation, Swissness und Swisscom Identität sowie die Beachtung von Vorgaben durch den Denkmalschutz.Aber auch die Freiräume für die Umsetzung von verschiedenen Gestaltungsprinzipien: Mobilität und Flexibilität, Zweckentfremdung von Bekanntem, das Zusammenspiel von alt / gebraucht und neu sowie auch ergonomische Gestaltung.
Im Rahmen einer Führung durch die bestehenden und gegenwärtig im Ausbau befindlichen Räumlichkeiten konnten wir die im Umbau befindlichen Räumlichkeiten im obersten Geschoss des Gebäudes sehen, die gegenwärtig als Arbeits- und Projekträume hergerichtet werden: bunte Fussböden, Lampen aus PET-Flaschen und geflochtenen Lampenschirmen, von Hand höhenverstellbare Arbeitstische und der „grosse Bruder“ für Projektteams, ein grosser Rollschrank mit Platz für Unterlagen, grossem Flachbildschirm und mehreren grossflächigen Pin- und Schreibbrettern im Format des Schranks, die auf der Rückseite verstaut werden können.
Darüber hinaus konnten wir das schon bekannte Braingym (der ehemaligen Postschalterhalle am Bollwerk in Bern, jetzt ein offener Kreativraum für Mitarbeitende der Swisscom) selbst aus erster Hand erleben. Und am Nachmittag konnten wir in anderen, nach dem gleichen Ansatz gestalteten Besprechungsräumen arbeiten.
Im Rahmen von Arbeitsgruppen haben wir uns verschiedenen Themen zugewendet:
- der Ausgestaltung physischer Lernräume
- der Ausgestaltung von virtuellen Lernräumen (z.B. LMS, social media-Plattformen)
- der Gestaltung des Zusammenspiels von Räumen für Lernen und Arbeiten und
- der Gestaltung des Zusammenspiels von physischen und virtuellen Lernräumen.
Anhand des Fallbeispiels „Schulungszentrum der HILTI AG in Schaan, Liechtenstein”, hat eine Arbeitsgruppe herausgearbeitet, wie viele unterschiedliche Aktivitätsformen gegenwärtig im Schulungszentrum umgesetzt werden (u.a. Vorträge; Seminare mit Kleingruppenarbeiten, Plan- und Rollenspielen; Einzelarbeit an Rückzugsplätzen; Videokonferenzen). Flexibilität und Multifunktionalität sind zentrale Anforderungen an die Räumlichkeiten des Schulungszentrums.
In einer zweiten Arbeitsgruppe wurde anhand des Fallbeispiels SAP das Zusammenspiel verschiedener virtueller Lernräume betrachtet, insbesondere das Zusammenspiel von Lernplattform (LMS) und social media Plattform. Über das LMS werden die Trainings administriert und auch die Berichterstattung abgewickelt. Die social media Plattform (SAP Jam) unterstützt vor allem die Kommunikation und Zusammenarbeit im Rahmen von Kursen und Trainings. Das verbindende Konstrukt zwischen beiden Systemen sind „Lernräume“ der social media Plattform. Dorthin werden Kursteilnehmende über die Lernplattform eingeladen und dort sind auch die im LMS hinterlegten online Lernmaterialien verfügbar.
Im abschliessenden Plenum haben wir dann noch das Zusammenspiel von Räumen für Lernen und Räumen für Arbeiten sowie das Zusammenspiel von physischen und virtuellen Lernräumen diskutiert.
Das Zusammenspiel von Räumen für Lernen und Räumen für Arbeiten ist zielbezogen und spezifisch für das jeweilige Bildungsangebot / die jeweilige Lernsituation zu gestalten. Für welche Themen und Entwicklungsziele die Distanz zum Arbeitsfeld oder die Nähe zum Arbeitsfeld gebraucht wird, kann nicht allgemeingültig entschieden werden. So kann es sinnvoll sein, in einer ersten Phase das Arbeitsfeld in das Schulungszentrum zu bringen (z.B. indem im Schulungszentrum ein Ladenlokal abgebildet wird) und in einer späteren Phase die Schulungsaktivität in das Arbeitsfeld zu tragen (z.B. indem Kurzschulungen im Ladenlokal durchgeführt oder Coaching-Gespräche am Arbeitsplatz angeboten werden).
Im Hinblick auf Zusammenspiel von physischen und virtuellen Lernräumen haben wir noch grosse Entwicklungsmöglichkeiten ausgemacht. Ein Standard-Szenario besteht darin, dass in virtuellen Räumen (z.B. Kursplattform, LMS) Materialien für die Vorbereitung einer Präsenzphase im physischen Raum bereit gestellt werden und dann auch wieder die Dokumentation der Präsenzphase im virtuellen Raum erfolgt. In einer Präsenzphase selbst ist aber die Integration von virtuellen / medial repräsentierten Räumen oft noch schwierig, da in der Regel nur eine Projektionsfläche zur Verfügung steht. Allerdings sind hier sehr viel weiter gehende Raumgestaltungen denkbar, die dann das Einbringen von verschiedenen medialen Quellen aus virtuellen Räumen gleichzeitig ermöglichen – z.B. zu sehen bei der Deloitte-University (vgl. auch den Blogbeitrag von Allison Rossett).
Literatur
Meyer, T., Meisel, T., & Schuetze, K. (2012). Education Design: Media, Learning, Space. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 7(1), 146–151.
Rossett, Allison (2012): Deloitte University – What were they thinking. allisonrossett.com, Blogpost, April 30, 2012.
Sirkka Freigang says
Hallo Herr Meyer, ein sehr spannender Beitrag zum Thema “Lernräume” 🙂 Ich befasse mich im Rahmen meiner Dissertation auch intensiv mit dieser Thematik und habe in meinem neuen BLOG auf Ihren Beitrag hingewiesen (http://sirkkafreigang.wordpress.com/2013/09/29/warum-ein-neues-bildungsblog/).
Christoph Meier says
Hallo Frau Freitag, danke für das Kompliment. Ich bin gespannt auf Ihre Arbeit…