Letzte Woche fand hier in St.Gallen unser scil Seminar zu “Informelles Lernen mit neuen Medien” statt. Auf der Grundlage von fünf Leitfragen haben wir uns eineinhalb Tage lang mit verschiedenen Facetten informellen Lernens beschäftigt:
Wir haben Profile von verschiedenen Lernangeboten miteinander verglichen, persönliche Lernlandkarten aufgezeichnet und abgeglichen, unsere Nutzung von neuen Medien im Zusammenhang mit Lernen reflektiert, darüber diskutiert, wie informelle Lernformen in die Lernlandschaft integriert und unterstützt werden können und schliesslich danach gefragt, was dies alles für die künftige Arbeit von Bildungsverantwortlichen bedeutet.
Dabei zeigte sich in der Runde der Teilnehmenden, dass einerseits die Unterstützung informellen Lernens eine wichtige Zukunftsaufgabe für Bildungsbereiche darstellt, andererseits aber die Bildungsbereiche in Organisationen / Unternehmen hier noch grossen Entwicklungsbedarf haben. Blended learning-Angebote sind inzwischen mehr oder weniger gut etabliert. Aber die Unterstützung von moderierten Reflexionsprozessen im Arbeitsfeld (z.B. im Rahmen von Teambesprechungen) und das selbstgesteuerte Lernen im Rahmen von online Lern- oder Expertencommunities (z.B. im Rahmen einer internationalen Trainer-Community) stellen noch kaum bearbeitete Entwicklungsfelder für Bildungsverantwortliche dar.
Typischer Entwicklungspfad für Bildungsbereiche und ihr Leistungsportfolio: vom formellen zum informellen Lernen
Interessant war dann ein Aspekt, der sich aus dem abschliessenden Arbeitsauftrag der Teilnehmenden ergab und den ich hier kurz entwickeln möchte: Unternehmen in sich schnell wandelnden Branchen und Märkten sind damit konfrontiert, dass sich in zentralen Wissensdomänen (z.B. Technologien) kontinuierlich neue Entwicklungen ergeben und hierzu fortwährend Wissen und Kompetenzen aufgebaut werden müssen. Sobald Bildungsbereiche in der Lage sind, die gesamte oben aufgezeigte Bandbreite an Lernformen direkt oder indirekt gut zu unterstützen, kann im Hinblick auf die Entwicklung von Wissen und Kompetenzen zu neuen Themen eine Bewegung von rechts nach links, von informellen Lernformen zu formalen Lernformen erfolgen:
- Bei Bedarf kann auf der Grundlage einer social media Plattform (z.B. Yammer, Jam oder Jive) in einem ersten Schritt sehr schnell ein online Gruppenraum – beispielsweise zu einer neuen Datenbank- oder Softwaretechnologie – eingerichtet werden. Damit kann der Austausch / das informelle Lernen zu diesem neuen Themenfeld unterstützt und eine online Fachcommunity aufgebaut werden. Die Mitglieder einer solchen online Community werden dann mit der Zeit eine Reihe von Ressourcen und Materialien zu diesem neuen Themenfeld zusammentragen (z.B. einzelne Problemlösungen, kurze Erfahrungsberichte, Visualisierungen zu Zusammenhängen oder einfache Checklisten).
- Wenn eine ausreichende Menge an solchen Ressourcen und Materialien verfügbar ist, können diese dann im Rahmen von Bemühungen um Leistungsunterstützung (performance support) für weitere Nutzer innerhalb des Unternehmens zugänglich gemacht werden. Etwa indem im firmeneigenen Intranet spezifische Bereiche / Seiten zu diesem neuen Themenfeld erstellt oder kurze Webinare durchgeführt werden. Dabei wird in der Regel eine Qualitätssicherung erforderlich und die Materialien müssen auf mögliche Inkonsistenzen, Lücken oder Ungenauigkeiten überprüft und gegebenenfalls allgemeinverständlicher formuliert werden.
- Diese qualitätsgesicherten Materialien sind dann eine wichtige Grundlage für die Entwicklung von Trainingseinheiten zum neuen Thema für wiederum grössere Zielgruppen. Die für die Umsetzung erforderliche Zeit ist bei einfachen Experten- / Trainer-geführten Workshops kürzer, bei der Umsetzung von didaktisch ausgearbeiteten Kursen oder online Lerneinheiten (WBT) entsprechend länger.
Bewegungsrichtung bei agiler Kompetenzentwicklung
Es wird deutlich, wie Wissensmanagement, informelles Lernen und formale Weiterbildung ineinander fliessen. Erste Unterstützungsangebote (Austausch, Performance Support) können schneller realisiert werden als voll ausgearbeitete Kursangebote und damit können Bildungsbereiche schneller und beweglicher werden (agile Kompetenzentwicklung). Welche Aufgaben Bildungsverantwortliche jeweils übernehmen, kann unterschiedlich sein. Denkbar ist beispielsweise, dass sie im Hinblick auf den Austausch in Communities und Performance Support-Angebote die verantwortlichen Themenexperten punktuell unterstützen (z.B. im Hinblick auf die Moderation einer Fachcommunity oder die Strukturierung / Ausgestaltung von Materialien) und erst bei der Durchführung von formalen Trainingsangeboten die Führung übernehmen.
Albrecht Kresse says
Sehr interessanter Artikel. Spannend wird sein, welche neuen Rolllen und Berufsfelder sich daraus im PE-Umfeld entwickeln. Der klassische Weiterbildungsreferent oder Kursmanager wird nicht mehr ausreichen. Gefragt sind unter anderem Didaktik-Profis, die als Mittler zwischem informellen Lernen und organisierten Angeboten dienen.
Christoph Meier says
Zu dieser Frage hat beispielsweise Jochen Robes einen Aufsatz veröffentlicht: Robes, J. (2011). Vom Personalentwickler zum Community-Manager? Ein Rollenbild im Wandel. In A. Trost & T. Jenewein (Hrsg.), Personalentwicklung 2.0. Lernen, Wissensaustausch und Talentförderung der nächsten Generation (1., Aufl., S. 65–77). Luchterhand Verlag Gmbh.
http://www.weiterbildungsblog.de/2011/08/08/vom-personalentwickler-zum-community-manager-ein-rollenbild-im-wandel/