KI-basierte Assistenzsysteme wie ChatGPT werden zu integralen Bestandteilen unserer Arbeitswelt – und müssen damit auch integraler Bestandteil von Bildungswelten sein. Lehrpersonen wie Lernende müssen gleichermassen die damit verbundenen Herausforderungen verstehen und die Chancen nutzen.
Im Rahmen einer Weiterbildung für Lehrpersonen hatte mich die Gewerbliche Berufsschule Wetzikon für eine Abendveranstaltung eingeladen. Vereinbart war zunächst eine Orientierung zu ChatGPT und dann anschliessend eine Explorationsphase der Lehrpersonen.
KI-unterstützte Assistenzsysteme in der Arbeitswelt
Ausgangspunkt für meinen Impuls war die Beobachtung, dass wir gerade erleben, wie eine neue Klasse von ‘kognitiven’ Werkzeugen Eingang in unsere Arbeitswelt finden. So wurde vor zwei Wochen der ‘Microsoft 365 Copilot’ angekündigt. Diese Lösung verbindet die Microsoft Office Apps (z.B. Word, PowerPoint, Excel), Microsoft Graph (Gateway zu Daten / Dokumenten) und ein grosses Sprachmodell wie ChatGPT und ermöglicht damit beeindruckende Assistenzfunktionen (Microsoft 2023).
Wenn also in der Zukunft KI-unterstützte Assistenzsysteme unter anderem
- Erstentwürfe für Geschäfts-Emails schreiben,
- Erstentwürfe für eine Angebots-begleitende Produktpräsentationen erstellen oder
- die drei auffälligsten Trends in den Vertriebszahlen für das letzte Quartal aufzeigen,
dann hat dies nicht nur Folgen für die Kompetenzerfordernisse in der Arbeitswelt, sondern auch Folgen für die Bildungsziele, die im Rahmen des Bildungssystems bzw. an Bildungsinstitutionen verfolgt werden (müssen). Und natürlich auch Folgen für die Praxis des Lehrens, Lernens und Prüfens an Bildungsinstitutionen.
ChatGPT und Folgen für Lehren, Lernen & Prüfen
Wenn KI-unterstützte Assistenzsysteme integraler Teil künftiger Arbeitswelten sind, dann ist es wenig sinnvoll, Schüler:innen oder Studierende davon fern zu halten. Vielmehr braucht es eine überlegte und zielorientierte Nutzung dieser Assistenzsysteme auch in Bildungskontexten. Dies wiederum setzt voraus, dass die Beteiligten diese Assistenzsysteme kennen, in ihrem Leistungsvermögen realistisch einschätzen und sinnvoll in Lehr-Lernaktivitäten integrieren. Lehrpersonen ebenso wie Lernende müssen verstehen
- welche Typen von KI-Assistenzsystemen es gibt (z.B. Systeme, die auf statistischen Ansätzen für KI aufbauen, wie z.B. ChatGPT; und Systeme, die auf symbolischen Ansätzen für KI aufbauen, wie z.B. Wolfram Alpha),
- was jeweils von diesen Systemen erwartet werden kann (z.B. das Erzeugen von Text oder Bildern, die Menschen tendenziell gefallen vs. mathematisch korrekte Umformungen von Gleichungen),
- was von diesen Systemen nicht erwartet werden kann (z.B. innovative, kreative Lösungen),
- welche Fähigkeiten es braucht, diese Assistenzsysteme zielführend einzusetzen (z.B. Prompt Design).
Lehrpersonen und Bildungsverantwortliche müssen darüber hinaus verstehen, wie sie diese KI-basierten Assistenzsysteme sinnvoll in Unterricht integrieren können und welche Konsequenzen sich für Lernziel- bzw. Kompetenzüberprüfungen ergeben.
Auf der Ebene des Bildungssystems stellen sich natürlich auch Fragen danach, welche Kompetenzen es künftig im Arbeitsmarkt braucht und wie sich Berufsprofile verändern werden. Aber diese Fragen waren für uns an diesem Abend nicht im Fokus.
Impuls – Exploration – informeller Austausch
- Folgende Themenfacetten habe ich in meinem Impuls angesprochen:
- Smarte Maschinen in unserer Lebens- & Arbeitswelt
- Generative Sprachmodelle / KI-Assistenten
- Besonderheiten von ChatGPT / GPT-4
- Nutzungsmöglichkeiten für Lernende
- Nutzungsmöglichkeiten für Lehrende
- Prompt-Design als neue Kompetenz
- Folgen für die Gestaltung von Prüfungen
Abschliessend habe ich noch einmal die Perspektive geweitet und – in sehr holzschnittartiger Weise – aufgezeigt, wie sich Bildungswelten im Zuge der ersten sowie der zweiten Welle der Digitalisierung verändert haben bzw. verändern. Mit der Verbreitung von Big Data und KI (zweite Welle der Digitalisierung)
- kommen neue Kompetenzerfordernisse hinzu (KI-Kompetenzen),
- kommen neue Entwicklungsformate hinzu (z.B. personalisiertes Lernen mit intelligenten tutoriellen Systemen oder mit ChatGPT als Lernbegleiter),
- kommen neue Lernumgebungen hinzu (z.B. ITS oder generative Assistenzsysteme) und
- kommen schliesslich auch neue Steuerungsmechanismen für das Lernen hinzu (z.B. Leitlinien für die KI-Nutzung oder Prompt-Policies).
Im Anschluss haben die Lehrpersonen, die sich vorbereitend schon Benutzerkonten für ChatGPT und andere Lösungen zurechtgelegt hatten, diese Assistenzsysteme mit Blick auf ihre jeweiligen Disziplinen und Fächer erkundet. Die Diskussion in den verschiedenen Tischgruppen war sehr lebendig und setzte sich dann auch im abschliessenden Apéro in geselliger Runde fort.
Das Format der Veranstaltung war damit sehr gut geeignet, die Lehrpersonen zu diesem aktuellen Thema zusammenzubringen, Berührungsängste zu nehmen und einen Startpunkt für den weiteren Austausch zum Thema «KI-basierte Assistenzsysteme im Unterricht» zu setzen.
Verweise:
Microsoft (2023): The future of work with AI – Microsoft March 2023 Event. https://youtu.be/Bf-dbS9CcRU.
Seufert, S. (2022): Zukunftsmodelle Lernortkooperation: Nutzenpotenziale der Künstlichen Intelligenz. Projektbericht für das SBFI. St. Gallen, Institut für Bildungsmanagement und Bildungstechnologien, Universität St.Gallen.
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