EDUCAUSE und HP verfolgen seit zwei Jahren ein gemeinsames Projekt: Campus of the future. Das Ziel ist, den Einsatz von aktuellen Lerntechnologien – insbesondere Extended Reality (XR, z.B. Virtual Reality oder Mixed Reality) – für Forschung und Lehre zu erkunden und zu fördern.
Ergebnisbericht zum ersten Jahr
Nach dem ersten Jahr der Projektarbeit wurde in 2018 ein erster Report publiziert: Learning in three dimensions. Zentrale Themen des Berichts waren unter anderem die Herausforderungen bei der Implementierung von 3D-Technologien und Nutzenpotenziale für die Hochschullehre. Unter anderem war diese Tabelle zu Entwicklungszielen und dem Potenzial verschiedener 3D-Technologien Bestandteil des ersten Berichts:
Zielsetzungen und Ergebnisse im zweiten Jahr
Im zweiten Jahr der gemeinsamen Initiative standen die folgenden Fragestellungen im Mittelpunkt:
- Welche Faktoren beeinflussen die Wirksamkeit von XR-Technologien im Hinblick auf verschiedene Lern- und Entwicklungsziele?
- Wie werden XR-Technologien in die Lehr-/Lernprozesse an Hochschulen integriert? Und zwar auf der Ebene der gesamten Bildungsorganisation, nicht so sehr auf der Ebene von einzelnen Kursen und Lehrveranstaltungen.
In einem umfangreichen Online-Dokument werden die Ergebnisse zur Arbeit im zweiten Jahr der Initiative dargestellt. Mit Blick auf die oben genannten Zielsetzungen werden unter anderem die folgenden Punkte betont:
XR-Technologien für das Erreichen von Lern- bzw. Entwicklungszielen
- Die eingesetzte Lehr-Lernmethodik ist der wichtigste Treiber für Lernerfolg und deutlich wichtiger als ein bestimmtes technisches Medium. XR-Technologien entfalten ihre Wirkung am besten im Rahmen von Blended Learning Designs.
- XR-Technologien ermöglichen erfahrungsbasiertes Lernen und fördern die Entwicklung von Handlungskompetenz
- z.B. bei der Ausbildung von Piloten im Flugsimulator
- z.B. bei der Ausbildung von Pflegepersonal im Gesundheitswesen
- z.B. beim Sprachlernen
- z.B. in Fächern wie Chemie, indenen spezielle Laborumgebungen erforderlich sind
- Abstraktes konkret und erfahrbar machen
- In Fächern wie z.B. Geschichte oder Astrophysik spielen häufig abstrakte, wenig erfahrbare Konzepte eine wichtige Rolle. Die Lernerfolgskontrollen sind dementsprechend in der Regel als schriftliche Prüfungen angelegt.
- XR ermöglicht eine direkte Erfahrung von Dingen / Konzepten, die sonst kaum zu erleben sind: zum Beispiel das Zusammenwirken von Zellorganellen im Inneren von Zellen oder elektromagnetische Phänomene. Als Referenz hierfür wird das CLEVR-Projekt am MIT in Boston angeführt.
- Experimentieren
- Im Rahmen der Ausbildung in Fächern wie beispielsweise Architektur oder Tanz ermöglicht XR das Explorieren und Erproben von Räumen und Raumdesigns. Beispiele hierfür sind das Evaluieren von Gebäuden im Hinblick auf das Management von Besucherströmen oder Geräuschkulissen (mehr dazu auf den Webseiten des Interactive Design & Visualization Lab an der Universität von Syracuse) die Entwickulung von ortsspezifischen Choreografien in der Tanz- bzw. Choreografieausbildung.
Faktoren, die die Wirksamkeit von XR-Umgebungen beeinflussen
In einem kurzen Kapitel werden einige der Treiber für die Wirksamkeit von XR-Umgebungen angerissen. Die hier angeführten Stichworte lauten:
- Genauigkeit, Realitätstreue und Überzeugungskraft;
- einfache Nutzung von Hard- und Software;
- zeitlich ausgedehntere Auseinandersetzung mit spezifischen Themen und Aufgaben;
- Ermöglichen von Lernerfahrungen, die auf andere Weise nicht erreichbar sind;
- Freude am Experimentieren bei allen Beteiligten (Lehrpersonen und Lernende).
Integration von XR in Curricula, Kurse und Prüfungen
- Integration in Curricula
- Hochschulen wie MIT, Yale oder auch Hamilton College nutzen neue Gefässe wie z.B. Hackathons, in denen sich die Studierenden intensiv mit XR-Technologien vertraut machen können.
- Andere Hochschulen wie z.B. Barnard College integrieren die Entwicklung von Technologie-Kompetenzen in Grundlagenkurse wie z.B. “Mediated Environments” oder “VR-Storytelling” in denen dann u.a. Themen wie “Thinking digitally” oder “Computational thinking” behandelt werden.
- Wiederum andere Hochschulen (z.B. die Florida International University, FIU) integrieren XR-Technologien im Rahmen von Kursen im ersten Studienjahr, die auf erfahrungsbasiertes Lernen ausgerichtet sind.
- Wie auch immer das konkrete Format aussieht, es ist sinnvoll, unterstützende Service-Einheiten (z.B. ein Teaching Innovation Lab) in die Planung und Umsetzung solcher Veranstaltungen einzubinden.
- Pilotprojekte an Universitäten haben darüber hinaus gezeigt, dass die Curricular verankerten Entwicklungsziele beim Einsatz von XR nicht zwingend angepasst oder überarbeitet werden müssen. So können XR-Umgebungen beispielsweise in der Pflege-Ausbildung an Stelle von Puppen oder Schauspielern genutzt werden und dabei entweder zu realistischeren Lernumgebungen oder aber zu deutlich reduzierten Kosten beitragen.
- Lernerfolgskontrollen und Prüfungen
Wie können / sollen die in XR-Umgebungen entwickelten Kompetenzen überprüft werden?- In Disziplinen wie z.B. den Pflegewissenschaften bestehen bereits Bewertungskriterien und Bewertungsschemata, über die die von den Studierenden an Puppen oder Schauspielern gezeigten Leistungen (z.B. Anamnese) bewertet werden können.
- Diese Bewertungskriterien bzw. -schemata können auch für XR-Umgebungen genutzt werden. Darüber hinaus können XR-Simulationen so gestaltet sein, dass sie die Handlungen der Nutzer wie bei einem Online-Trainingsmodul dokumentieren und auswerten (z.B. Shadow Health).
- Wenn es allerdings darum geht, das Experimentieren in XR-Umgebungen zu fördern und auch zu bewerten, dann müssen die Bewertungsschemata (Rubrics) entsprechend daraufhin ausgelegt werden. Beispielsweise indem Bewertungskriterien ergänzt werden, die darauf fokussieren,
- ob neue Wege erprobt bzw. erkundet wurden,
- ob / wie zielführend eine digitale Umgebung für die Bewältigung einer gegebenen Aufgabe genutzt wurde oder
- ob die XR-Technologien so eingesetzt wurde, dass technische Veränderungen bei Geräten etc. einfach integriert werden können.
Handlungsempfehlungen
Abschliessend werden in diesem Bericht noch Handlungsempfehlungen formuliert – sowohl für Lehrpersonen als auch für Bildungsinstitutionen:
- Lehrpersonen
- Den Studierenden ausreichend Zeit einräumen, sich mit XR-Technologien auseinanderzusetzen.
- Integration von XR-Technologien in die Grundlagenfächer bzw. die Grundausbildung an einer Hochschule.
- Den Studierenden Möglichkeiten zum Experimentieren einräumen.
- Hochschulen
- Hochschulweit verfügbare Unterstützungsangebote bereitstellen.
- Lern- und Experimentierfelder bereitstellen (z.B. Makerspaces).
- Fach- und disziplinübergreifende Arbeitsgruppen einrichten, die sich mit XR-Technologien, den Potenzialen und den Herausforderungen im Kontext der Hochschullehre befassen.
- Austausch mit anderen Hochschulen bzw. Bildungseinrichtungen suchen.
Hinweis: Das scil-Weiterbildungsmodul “Immersive Lernumgebungen” stellt die mit XR-Technologien verbundenen Möglichkeiten und Herausforderungen im Hinblick auf Lehren und Lernen in den Mittelpunkt. Zentrale Konzepte (z.B. “situated cognition” oder “social presence”) werden ebenso behandelt wie Technologien (Hardware / Software), Anwendungskontext und Erfolgsfaktoren.
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