Der 7. scil Trend- & Community Day stand unter dem Motto „Disruption und lernende Organisation: Chancen und Herausforderungen für L&D“. Im Fokus standen Lernkultur und Paradoxien, Transformationsinitiativen, Führungskräfte-Entwicklung, Performance Support und lernOS.
Wenn es noch Anschauungsunterricht dazu gebraucht hat, was es heisst, in einer VUCA-Welt zu leben, so haben wir diesen in den letzten Monaten mit der Covid-19-Pandemie erhalten. In einer VUCA-Welt sind Unternehmen und Organisationen besonders gefordert, flexibel und lernfähig zu sein. Grund genug also, dem Thema “Lernende Organisation” beim 7. scil Trend- & Community Day nachzugehen.
Lernende Organisation
Als Ausgangspunkt haben wir die Definition für ‘Lernende Organisation’ von Watkins & Marsick herangezogen:
In einer lernenden Organisation ermöglichen Strukturen, Prozesse, Systeme und Kultur das Lernen sowie Transformation bzw. Innovation – bei Einzelpersonen, bei Teams, bei der Gesamtorganisation sowie bei umgebenden Communities.
Watkins & Marsick 2019, S. 53
Diese Definition ist allerdings so allgemein, dass sie kaum zur Unterscheidung von Organisationen oder zur Anleitung von Gestaltungsinitiativen taugt. Das gilt auch für so bekannte Rahmenmodelle wie die von Argyris und Schoen (Anpassungslernen, Veränderungslernen, Prozesslernen), von Senge (systemisches Denken etc.) oder Garvin (Bausteine für lernende Organisationen).
Als wir bei scil vor einigen Jahren eine grosse Bildungsorganisation beim Thema “Entwicklung zur lernenden Organiasation” begleiten konnten, haben wir daher die Schnittfläche der Aufgabenbereiche von Personalentwicklung einerseits und Organisationsentwicklung andererseits fokussiert (vgl. Seufert et al. 2016):
- Individuelle Kompetenzentwicklung (formal und informell),
- Lernförderliche Führungskräfte-Entwicklung,
- Gestaltung lernförderlicher Rahmenbedingungen (u.a. Impulse zur Lernkultur) und
- Gestaltung von Arbeits- & Vernetzungsformen (u.a. Voraussetzungen für Lernen in Netzwerken und Communities
Vom Zweiklang zum Dreiklang
Die Arbeit an einer lernenden Organisation erfordert aus heutiger Sicht aber mehr als nur das Zusammenspiel von Personalentwicklung (individuelles Lernen) und Organisationsentwicklung (Team- und Organisationslernen). Neue, digitale Informations- und Kommunikationstechnologien sind nicht nur ein wichtiger Lerngegenstand, sondern auch wichtige Ressourcen. Ressourcen für das Ermöglichen von Lernen ebenso wie für produktives Arbeiten. Dies gilt insbesondere auch für Smart Machines, die zunehmend in betriebliche Leistungsprozesse integriert werden (vgl. Meier et al. 2020).
Also braucht es für die Entwicklung hin zur lernenden Organisation ein Zusammenspiel von Initiativen der Personalentwicklung, der Organisationsentwicklung und dem Funktionsbereich Informatik. Damit ist die Rahmung unserer Veranstaltung hergeleitet…
Lernende Organisation: Facetten des Zusammenspiels von PE, OE und IT
Im ersten Fachbeitrag des Tages (“Lernkultur und lernende Organisation – Paradoxien, Potenziale, Perspektiven“) verwies Prof. Dr. Dirk Ifenthaler, Universität Mannheim, zunächst einmal auf die Herausforderungen für eine wissenschaftliche Untersuchung von “lernender Organisation”. Diese Herausforderungen betreffen die Modellierung individuellen Lernens, die Modellierung von Teamlernen und auch die Modellierung von Lernkultur bzw. Organisationslernen. Er zeigte einige Paradoxien im Hinblick auf Lernkulturen auf. So braucht es häufig sowohl selbstorganisiertes / selbstverantwortetes Lernen als auch fremdorganisiertes / aussengefordertes Lernen. Und er verwies abschliessend darauf, dass die Entwicklung hin zu einer lernenden Organisation ein geeignetes Zusammenspiel von Personen, Organisationen, I&K-Technologien, Data Analytics und KI erfordert.
Der nachfolgende Praxisbericht von Dr. Janosch Türling, Yannika Jarlov und Bernarda Jakuli (Transformation & Learning Lab, AXA Academy) beleuchtete die Entwicklungsreise bei AXA: “Auf dem Weg zur lernenden Organisation“. Im Mittelpunkt standen Facetten guter Praxis bei AXA in vier Arbeitsfeldern: Digitalisierung des Lernangebots, Stärkung von ‘Learner Engagement’, Unterstützung von kollektivem Wissensaustausch und Peer-to-Peer Learning sowie die Befähigung von Fachexperten in der Breite der Organisation für das Erstellen von User Generated Content:
Digitale Lernangebote | Learner Engagement |
Befähigung für User Generated Content | Peer Learning |
Teil unseres Programms waren auch vier Runden Speed-Geeking. In diesem Teil hatten wir vier Stationen und diese waren wie folgt besetzt:
- Dr. Ambros Scope, Zurich Versicherungen, stellte ein internes Leadership Development Programm vor, das auf Herausforderungen des Führens in der digitalen Transformation zugeschnitten ist.
- Matin Flemig, tts GmbH, beleuchtete unter dem Titel “User Adoption Platforms für digitales Arbeiten” die Herausforderung, wie Unternehmen / Organisationen und deren Beschäftigte trotz einer hohen Kadenz von Neueinführungen und Änderungen produktiv mit Software-Applikationen arbeiten können.
- Barbara Haag, SVA Zürich, stellte ihre im Rahmen unseres Diplomprogramms erstellte Abschlussarbeit zum Thema “Exploration der Lernkultur bei SVA Zürich” vor.
- Nadia Eggmann, Post Informatik, berichtete zu dem internen Transformationsprogramm “I moving forward” und zeigte damit noch einmal eindrücklich auf, wie Informatikbereiche im Hinblick auf Organisationsentwicklung inzwischen auch eine gestaltende Rolle einnehmen.
Im anschliessenden Praxisbeitrag berichtete Kathrin Falkenstein, LV 1871, über die dortige Lernreise im Hinblick auf lernOS: “lernOS @ LV 1871 – Ein Betriebssystem für eine (selbst-)lernende Organisation“. Sie stellte zunächst lernOS kurz vor, verwies auf die Kompetenzen, die mit diesem Programm entwickelt werden können, zeigte bereits verfügbare Lernpfade auf und formulierte Empfehlungen für das Vorgehen bei der Einführung von lernOS.
Der letzte Praxisbericht des Tages von Dr. Martin Weissleder, Eidgenössische Zollverwaltung, stand unter dem Titel “Die Unterstützung von organisationsweiten Digitalisierungs- und Transformationsprojekten durch L&D – Das Projekt DaziT der Eidgenössischen Zollverwaltung“. Ausgehend von der Erfahrungswelt vieler langjähriger Mitarbeitender der Zollverwaltung skizzierte er die mit der Digitalisierung verbundenen Herausforderungen, die mit dem Programm DaziT adressiert werden. Dabei manifestieren sich die beiden Schwerpunkte des Veränderungsprogramms (Vereinfachung & Digitalisierung sowie organisatorische Weiterentwicklung) in einer ganzen Reihe von verschiedenen Aspekten (Leistungen, Prozesse, Kultur, Organisation, Daten und Systeme, etc.).
Mindset, Skillset, Toolset
Die Entwicklung hin zu einer (besser) lernenden Organisation erfordert eine koordinierte Arbeit am Mindset, am Skillset und am Toolset. Dafür braucht es das Zusammenspiel von Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Informatik. Dieser Tag hat einzelne Facetten dieses Themenfelds und interessante Projekte bzw. Initiativen aufgezeigt. Und es wurde deutlich, dass die Arbeit am Zielbild “lernende Organisation” auch für die nächsten Jahre herausfordernd bleibt…
Verweise
Garvin, David A. (1993): Building a Learning Organization. In: Harvard Business Review (July-August).
Meier, Christoph; Seufert, Sabine; Guggemos, Josef; Spirgi, Judith (2020 (November)): Learning organizations in the age of smart machines. Fusion skills, augmentation strategies and the role of HRD professionals. In: Dirk Ifenthaler, Sandra Hofhues, Marc Egloffstein und Christian Helbig (Hg.): Digital transformation of learning organizations. Cham: Springer International Publishing.
Senge, Peter M. (1990): The fifth discipline. The art and practice of the learning organization. New York: Doubleday.
Seufert, Sabine; Schuchmann, Daniela; Meier, Christoph; Fandel-Meyer, Tanja (2016): Steigerung der Lern- und Innovationsfähigkeit von Unternehmen und Organisationen. In: Christian Hoffmann u.a. (Hg.): Business Innovation: das St. Galler Modell. Wiesbaden: Springer Gabler, S. 283–311.
Watkins & Marsick, 2019, Conceptualizing an organization that learns. In A. Örtenblad (Ed.), The Oxford Handbook of the Learning Organization, S. 53.
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Sylvia Kaap says
Danke an das SCIL Team für diese inhaltlich reiche und CORONA-sicher-interaktive Tagung. Besonders die Paradoxien lernender Organisationen, auf die Prof. Ifenthaler hingewiesen hat, fand ich sehr interessant. Aufschlussreich, dass in Zeiten von Digitaler Transformation die organisationale Lernkultur an Bedeutung gewinnt.