Lernende unterscheiden sich in vielfältiger Weise. Das ist eine Herausforderung für Bildungsverantwortliche und Bildungsorganisationen. Vier Typen von Technologien können hier Unterstützung bieten. Aber technische Lösungen allein genügen nicht.
Heterogene Zielgruppen als Herausforderung
Bildungsverantwortliche sind von Seiten der Kund:innen bzw. Teilnehmenden zunehmend mit der Forderung konfrontiert, dass doch die Bildungsangebote möglichst gut an «meinem jetzigen Stand» anknüpfen und «für mich passend» sein sollen. Und diese Erwartung ist ja nicht unsinnig: individuell zugeschnittene Lernumgebungen sind hochgradig relevant, sehr motivierend und sehr lernförderlich.
Lernende unterscheiden sich in vielfältiger Weise: im Hinblick auf ihre Ziele, ihr Vorwissen und ihre motivationalen Voraussetzungen, das von ihnen präferierte Lerntempo, die von ihnen präferierten Sozialformen des Lernens etc.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie eine stärkere Personalisierung von Produkten und Dienstleistungen der Aus-, Fort- und Weiterbildung realisiert werden kann. Denn eine individuelle Begleitung und Unterstützung durch einen pesönlichen Coach oder Tutor ist nur in den wenigsten Fällen möglich.
Lehr-Lern-Technologien wird diesbezüglich ein grosses Potenzial zugeschrieben. Im Zuge der fortgeschrittenen Digitalisierung (u.a. Big Data & Analytics, KI-Technologien) sind neue Typen von Plattformen und Lösungen entstanden, die personalisiertes Lernen unterstützen. Vier Typen von Lösungen können unterschieden werden:
- Skills-Management-Lösungen (Skills-Tech),
- Learning Experience Plattformen (LXP),
- persönliche Assistenzsysteme wie ChatGPT & Co.
- intelligente tutorielle Systeme (ITS).
Vier Typen von technischen Lösungen
Lösungen für das Skills-Management ermöglichen es, Weiterbildungsaktivitäten auf der Grundlage von individuellen Skills-Profilen und individuellen Skills-Gap-Analysen zu fokussieren und zu personalisieren. Die dafür erforderlichen Elemente sind: (1) Skills-Taxonomien, (2) individuelle Skills-Gap-Analysen und (3) Verknüpfungen von Skills und Lernressourcen. Diese Elemente können durch Verfahren maschinellen Lernens und maschineller Sprachverarbeitung (KI) teilweise automatisiert erstellt bzw. aktualisiert werden. Mehr dazu in diesem Blogpost.
Learning Experience Plattformen (LXP) ermöglichen nicht nur einen Zugriff auf Lernressourcen aus verschiedensten Quellen an einer zentralen Stelle. Vielmehr ermöglichen sie auch eine Filterung dieser umfangreichen Ressourcen – auf der Grundlage von individuellen Benutzerprofilen mit Informationen beispielsweise zu Organisationseinheit, Interessen, Lernhistorie, präferierter Sprache, usw. Und drittens verfügen sie über eine Benutzeroberfläche, die die gefilterten Inhalte in einer Weise verfügbar macht, wie wir sie von aktuellen Medienplattformen wie etwa Netflix kennen. Mehr dazu in diesem Buchbeitrag.
Assistenzsysteme wie z.B. ChatGPT ermöglichen unter anderem fokussierende Frage-Antwort-Dialoge zu Themen, die einen persönlich interessieren. Beispielsweise so: «Wie funktionieren intelligente tutorielle Systeme (ITS)?» – [Antwort des Systems, u.a. mit Verweis auf ein Konstruktions-Element von ITS, das als ‘tutorielles Modell’ bezeichnet wird] – «Was ist unter einem ‚tutoriellen Modell‘ zu verstehen?» – [Antwort des Systems] – «Welche Informationen sind üblicherweise in einem ‘tutoriellen Modell’ hinterlegt?» – [Antwort des Systems] – und so weiter. Die bekannten Limitationen dieser Assistenzsysteme müssen dabei natürlich in Rechnung gestellt und die Ausgaben entsprechend überprüft werden.
Intelligente tutorielle Systeme (ITS) ermöglichen ebenfalls personalisiertes Lernen. Aber hier geht es weniger um personalisierte Karriere- oder Entwicklungspfade (vgl. Skills-Tech), um individualisierte Zusammenstellungen von Lerninhalten (vgl. LXP) oder um freie Frage-Antwort-Dialoge. Vielmehr geht es um das Führen und Unterstützen der Lernenden im Prozess der Bearbeitung von systematisch gestalteten Lerneinheiten. ITS verarbeiten kontinuierlich Prozessdaten dazu, über welche Wissensbestände ein:e Nutzer:in bereits verfügt. Davon ausgehend werden den Nutzer:innen jeweils sehr kleinschrittig nächste Aufgaben bzw. nächste Wissenseinheiten zur Bearbeitung zugewiesen. Möglich wird dies, weil ITS aus drei zentralen Bausteinen bestehen, die eine Anpassung an einzelne Lernende ermöglichen: Domänen-Modell, Lernenden-Modell und tutorielles Modell.
Technische Lösungen allein genügen nicht
Wenn eigenverantwortliches und personalisiertes Lernen als Säule der Lernarchitektur verankert bzw. (weiter-)entwickelt werden soll und wenn die damit verbundenen Nutzenpotenziale gehoben werden sollen, dann braucht es ein wirksames Zusammenspiel verschiedener Elemente. Es braucht auf der einen Seite einen überlegten Einsatz von geeigneten Technologien bzw. Plattformen (vgl. oben). Und es braucht auf der anderen Seite die Befähigung derjenigen, die an diesen Lernprozessen beteiligt sind:
- Lernende müssen in ihrer Fähigkeit zur Selbstregulation in Lernprozessen gestärkt werden. Beispielsweise durch das Trainieren von relevanten Techniken und Methoden;
- Bildungsverantwortliche (Lehrpersonen etc.) müssen dabei unterstützt werden, ihre eigene Rolle in Richtung von Lernbegleitung, Lernberatung und Lerncoaching systematisch weiterzuentwickeln;
- und schliesslich müssen im betrieblichen Kontext Vorgesetzte und Führungskräfte in die Lage versetzt werden, lern- bzw. entwicklungsförderlich zu führen und so die erforderlichen Freiräume für selbsreguliertes, eigenverantwortliches und personalisiertes Lernen zu schaffen.
Demnächst erscheinen zwei Publikationen von SCIL, die das hier angerissene Thema ausführlicher behandeln. Wir werden hier dazu informieren.
Daniela Petzoldt says
interessante Ansätze. bin auf weiterführende Veröffentlichungen gespannt 👍