Letzte Woche fand zum achten Mal das Corporate Learning Camp statt, dieses Mal im Campus Center der Universität Kassel. Moderiert wurde das Treffen wiederum von Karlheinz Pape, das Leitthema lautete «Lernwelten der Zukunft». Mit 300 angemeldeten Teilnehmenden war das Camp ausgebucht. Im Vergleich zu meiner letzten Teilnahme vor zwei Jahren hatte ich den Eindruck, dass eine gewisse Professionalisierung stattgefunden hat. Die Organisation war wie gewohnt gut, ca. 2/3 der Teilnehmenden waren schon zuvor bei einem CLC dabei gewesen, das Durchschnittsalter der Teilnehmenden scheint sich nach oben zu bewegen und die thematischen Sessions waren gut vorbereitet.
Lutz Berger hat, wie in den letzten Jahren auch, Impressionen zum Camp eingefangen:
Die Universität Kassel hatte Räume für 10 gleichzeitig laufende Sessions zur Verfügung gestellt und diese waren fast durchgängig bespielt. Hier die Übersicht zu den Sessions.
Die Unterlagen zu den beiden Sessions, die ich angeboten habe, finden sich hier: “KI-basierte Anwendungen im Arbeitsfeld” und “KI-basierte Anwendungen für L&D”. Im Folgenden meine Notizen zu den Sessions, an denen ich teilgenommen habe.
Dreidimensionale Lernräume
In der Session von Markus Herkersdorf (TriCAT), Steffen Kayenberg (WBS AKADEMIE) und Wilma Hartenfels (Henkel) ging es um virtuelle, dreidimensionale Lernräume und die Lernaktivitäten, die in diesen umgesetzt werden können. Für den Software-Entwickler TriCAT ist interessant, dass virtuelle Gebäude und Trainingsräume, die u.a. auch persistent sein und in denen alle bisherigen Arbeitsergebnisse an den Wänden dokumentiert bleiben können, ein neues SaaS-Angebot darstellen. Die WBS AKADEMIE, die zuvor viel mit dem virtuellen Klassenzimmer von Adobe Connect gearbeitet hat, nutzt ihren neuen virtuellen Campus für Online Seminare, berufsbegleitende Master-Studiengänge, Online Events und Firmenveranstaltungen. Eine wichtige Erkenntnis dabei: virtuelle Realität und der damit verbundene intensive Situationsbezug funktioniert nicht nur mit einer VR-Brille, sondern auch am PC-Bildschirm. International agierende Unternehmen wie beispielsweise Henkel, deren Bildungsbereiche immer wieder mit Beschränkungen bei den Reisekosten für Trainings konfrontiert sind, explorieren diese Möglichkeiten als Alternative zu Trainer-geführtem Online-Lernen via Webmeeting (z.B. WebEx). In der Diskussion wurde herausgestellt, dass Präsenztrainings, wenn sie mit hohen Investitionen in Reisekosten verbunden sind, sehr gezielt eingesetzt werden sollten und dass solche virtuellen Welten hier eine sinnvolle Ergänzung sein können. Vertreter von Audi und thyssenkrupp haben dabei auf ihre positiven Erfahrungen mit solchen 3D-Welten beispielsweise für Fach- und Prozesstrainings oder Projektmanagement-Trainings verwiesen. Die WBS AKADEMIE ist übrigens für den WBS LearnSpace 3D im Rahmen der Messe Zukunft Personal mit dem HR Innovation Award 2018 ausgezeichnet worden.
lernOS
Simon Dückert (Cogneon) hat in einer Session die Version 1.0 von lernOS vorgestellt. lernOS ist ein «Betriebssystem» für Lebenslanges Lernen und Lernende Organisationen bzw. ein Leitfaden für eine 13 Wochen umfassende, selbstorganisiertes Lernreise ((Link)).
Kernelemente von lernOS sind zum einen das Zusammenspiel eines bestimmten Mindset (u.a. Vertrauen, Offenheit und Vernetzung), eines Skillsets (u.a. Kreativität und Innovationsfähigkeit, Fähigkeit zur Kollaboration sowie ‘digital skills’) sowie eines dazu passenden Werkzeugkoffers mit digitalen Werkzeugen (u.a. Office-Werkzeuge, Konferenz-Werkzeuge oder Weblogs / Wikis). Die Umsetzung des selbstgesteuerten Lernens erfolgt primär in auf 13 Wochen angelegten lernOS Zirkeln. Simon Dückert stellte zum einen die Bezugspunkte von lernOS heraus (u.a. Methodiken wie «Getting things done» (GTD), «Objectives and key results» (OKR) oder «Working out loud» (WOL). Gleichzeitig verwies er auf zentrale Unterschiede zu WOL. So bietet lernOS die Möglichkeit, über das OKR-Modell an Veränderungen auf Team- und Organisationsebene anzuschliessen. Und das lernOS kann aufgrund der Publikation unter einer CC-by-Lizenz im betrieblichen Umfeld völlig frei genutzt werden – was bei dem unter einer CC-nc-nd-Lizenz veröffentlichten WOL nicht der Fall ist.
Methoden für das Trainieren von Agilität
Volkmar Langer zeigte in seiner Session ein Format zum Erleben und Trainieren von agilen Vorgehensweisen: die Ballpoint-Simulation. Zentrale Elemente der Trainingseinheit sind folgende:
- Aufgabenstellung
- erschwerende Rahmenbedingungen
- Handeln unter Zeitdruck / kurze “Sprints”
- Einschätzung der Leistungsfähigkeit der eigenen Lösung / des gewählten Prozesses
- Vergleich der erzielten Ergebnisse mit der eigenen Schätzung und mit den Ergebnissen anderer Gruppen
- Debriefung / Review / ggf. Anpassung des Prozesses
- nächster “Sprint”
- Debriefing / Review
Ein für Volkmar Langer zentraler Punkt ist die Bedeutung der Reflexionsphase (Retrospektive). Aus seiner Erfahrung mit agilen Arbeitsweisen in Unternehmen und Organisationen wird diese Phase häufig vernachlässigt. Entsprechend werden an vielen Stellen Lern- und Verbesserungspotenziale verschenkt.
Die Session war sehr energetisierend, kam sehr gut an und wurde dann auch am nächsten Tag wiederholt. Ich habe mich gefragt, ob eine solche energetisierende Erfahrung auch in einer virtuellen Lern- / Arbeitsumgebung möglich ist.
Learning Battle Cards
In einer zusätzlichen Session vor der gemeinsamen Abendveranstaltung hat Christian Martin die «Learning Battle Cards» und das dazugehörige Canvas vorgestellt. Die 111 Karten repräsentieren 111 verschiedene Techniken und Methoden für Training, angefangen von 360°Assessment über Digital Storytelling, Knowledge Pills, Project Based Learning und Social Bookmarking bis hin zu Webquests.
Dabei handelt es sich um eine Art Spielmaterial, über das entweder allein oder in Workshops – hier können auch mehrere Gruppen gegeneinander antreten– ein didaktisches Design entwickelt wird. Zentrale Elemente sind zum einen die «Spielkarten» zu didaktischen Methoden. Auf diesen Karten finden sich u.a. eine Wortwolke zur Charakterisierung der jeweiligen Methode sowie auch verschiedene Einstufungen (Für welche Zielsetzung ist sie geeignet? Wie aufwändig ist sie in der Umsetzung? etc.). Das Canvas mit sieben Feldern (“7 Windows of Instructional Design”: Analysis, Awareness, Knowledge, Skills, Attitudes, Implementation [i.S.v. Transfer ins Arbeitsfeld, C.M.] sowie Evaluation) stellt eine Art Spielfeld dar, auf dem dann geeignete Methodenkarten abgelegt werden. Auf diese Weise wird ein erster Entwurf für ein didaktisches Grobdesign erzeugt.
Conversational Bots und KI-Anwendungen für Training
Torsten Hardiess (aicoaching) hat in seiner Session über Entwicklungen im Bereich von conversational bots und mögliche Einsatzszenarien für diese berichtet. Der Fokus seines Berichts lag auf Skript-basierten Bots, die u.a. für Trainingszwecke, zur Entscheidungsunterstützung, zur Unterstützung von Reflexion, bei der Verankerung veränderter Gewohnheiten oder für das Wissensmanagement eingesetzt werden können. Er zeigte die Autorenumgebung (“Bot-Builder”-Platform), in der Skripte für Bots erstellt werden können und er ging auf eine aktuelle Entwicklung von aicoaching ein, bei der Skript-basierte Elemente mit KI-basierten Elementen zusammenspielen (hybride Bots). Gegen Ende seiner Präsentation ging Torsten Hardiess noch auf die Bewegung von UX (user experience design) hin zu HX (human experience design) ein. Zielsetzung für das HX ist es, Systeme bzw. Umgebungen zu entwickeln, die die Bedürfnisse von Menschen erkennen und damit empathisch agieren können. In der Diskussion kamen wir u.a. auf die Frage, inwiefern die Fähigkeit zu Empathie eine spezifische Domäne und Kernkompetenz von Menschen und ein abgrenzendes Merkmal gegenüber “intelligenten” Maschinen ist. Torsten Hardiess erwartet, dass diese Abgrenzung mit der Zeit hinfällig wird. Hier die Folien zu seiner Präsentation.
Cäcilie Kowald (time4you) hat ebenfalls eine Session zum Thema Lernbots gestaltet, an der ich leider nicht teilnehmen konnte und zu der sich leider auch keine Dokumentation im etherpad findet.
Eine weitere Session zu KI-basierten Lernanwendung hat Marcel Kirchner (Continental) angeboten: «Smarter Learning mit künstlicher Intelligenz». Er verwies dabei auf verschiedene Beispiele für Entwicklungen in diesem Bereich. Zum Beispiel ein am DFKI entwickeltes smartes Lernbuch, das anhand der Augenbewegungen erkennt, ob ein Leser / eine Leserin zu einem bestimmten Begriff Unterstützung in Form von Worterklärungen benötigt (Hypermind-Schulbuch). Auf eine Entwicklung von Microsoft (Sketch2Code), die es ermöglicht, aus einer Skizze auf Papier den html-Code für eine dementsprechende Webseite zu erzeugen. Und auf Delve, Teil der Office 365-Familie von Microsoft, mit dem das Organisieren und Entdecken von Informationen unterstützt wird. Delve macht sichtbar, mit welchen Office 365-Dokumenten man selbst gerade arbeitet und mit welchen (freigegebenen) Dokumenten die Kollegen gerade arbeiten.
In einer kurzen Gruppenarbeit wurden dann Ideen und mögliche Szenarien für durch Bots unterstützte Lernaktivitäten gesammelt. Beispielsweise Bots als Kuratoren und Wissensbroker, als Vermittler von geeigneten Lernpartnern, als Feedback-Geber für ein erstes Feedback zu Ausarbeitungen, als Unterstützer von Reflexionsprozessen, als Zusammenfassungs-Service für verspätete Teilnehmende an einer (Lehr-)Veranstaltung, etc. Weitere Quellen zum Thema in diesem Etherpad.
Eigenverantwortliches Lernen
Jana Telemann (Hanseatic Bank) hat in einer Session die Organisation von eigenverantwortlichem Lernen bei diesem Unternehmen vorgestellt. Zusätzlich zu den bestehenden, von L&D bzw. den Funktionsbereichen verantworteten Weiterbildungsbudgets haben alle Mitarbeitenden ein individuell verantwortetes Weiterbildungsbudget im Umfang von 50 Stunden bzw. €500 pro Jahr zur Verfügung. Diese Ressourcen werden in einer online abgebildeten «Lernbank» mit Dashboard für jede/n Nutzer/in verwaltet. Die Beschäftigten recherchieren und beurteilen selbst die von ihnen ins Auge gefassten Weiterbildungsangebote, planen diese in ihren Arbeitsalltag ein und wickeln die Abrechnung ab. Ziel diese mit den Führungskräften eng abgestimmten Ansatzes ist unter anderem, bei den Beschäftigten mehr Eigenverantwortung und Eigeninitiative zu fördern. Teilen die Beschäftigten im Nachgang ihre Lernerfahrungen unter den KollegInnen, erhalten sie zusätzliche «learning credits». Ein Aspekt, den wir in der gemeinsamen Diskussion gestreift noch haben, war, wie denn eine Erfolgsbestimmung zu dieser Initiative aussehen könnte.
Analoge Trainingstechniken und Methoden im virtuellen Raum
In der letzten thematischen Session, die ich besucht habe, ging es um die Übertragung von Trainingsmethoden aus der analogen in die digitale Welt. In einem von Anna Reiners locker moderierten Gespräch haben wir verschiedene Aspekte gestreift. Vieles, was in Präsenztrainings möglich ist, kann – gegebenenfalls in angepasster Form – auch in Trainer-geführten Online-Trainings umgesetzt werden: Eisbrecher, Kurz-Meditationen zur Einstimmung, Energizer, etc. Neu war für mich, dass z.B. in Adobe Connect über das Zusatzmodul “Roshambo” auch Partner-Aktivitäten wie etwa «Schere – Stein – Papier» umgesetzt werden können:
Gegebenenfalls müssen aber Ziele expliziter und durch systematische Prozessgestaltung verfolgt werden. Wenn etwa die Pausenkommunikation in Präsenztrainings neben dem Austausch auch zum Beziehungsaufbau und der Vertrauensbildung zwischen den Teilnehmenden beiträgt, so braucht es dafür in online-Trainings bzw. Lehrgängen gegebenenfalls eine auf dieses Ziel hin gestaltete Phase, zum Beispiel einen kollaborativ zu bewältigenden Teamauftrag.
Studer Judith says
Lieber Christoph
Sehr spannend.
Weisst du, ob es nächstes Jahr wieder so ein Camp gibt und wenn ja, wo kann man sich dafür registrieren bzw. worüber bekommt man die Infos zu diesem Camp?
Danke dir und lieber Gruss aus Bern
Judith
Christoph Meier says
Liebe Judith, schau doch mal auf diese Seite: https://colearn.de/clc19hh/ ; das nächste CL-Camp findet Ende März in Hamburg statt, danach wieder Ende September vermutlich in Kassel. Herzlichen Gruss, Christoph