In meinem vorherigen Blog-Beitrag habe ich ein Rahmenkonzept zur Steigerung der Lern- und Innovationsfähigkeit von Organisationen vorgestellt, das vier Handlungsfelder beinhaltet. Hier gehe ich nun auf die ersten beiden Handlungsfelder und deren Gestaltungsmöglichkeiten ein.
Handlungsfeld 1: Individuelle Kompetenzentwicklung – Innovatives Verhalten fördern
Für die Lern- und Innovationsfähigkeit von Organisationen ist das Lernen und das innovative Verhalten der einzelnen Mitarbeitenden die Voraussetzung – nach Haller (2003) sind Innovationsprobleme Verhaltensprobleme!
Vier Schlüsselfaktoren sind zentral für innovatives Verhalten:
- Sensibilität: Fähigkeit, frühzeitig sich anbahnende Veränderungen wahr- und aufzunehmen,
- Offenheit: zugänglich-sein für wahrgenommene Veränderungen – Informationen vorurteilsfrei verarbeiten, interpretieren und Konsequenzen ableiten können,
- Kreativität: Fähigkeit neue, auch ungewöhnliche Ideen zu generieren,
- Wissen: die Wissensbasis ist die Grundlage von innovativem Verhalten – je mehr ein Einzelner „weiss“, desto eher kann er neue Ideen und neues Wissen generieren.
Dabei geht es vor allem um Wissen, das im Arbeitsprozess selbst benötigt wird. Das schliesst nicht nur Theoriewissen ein, sondern auch praktische Erfahrungen, was vor allem durch Erfahrungslernen im Arbeitsprozess und die Reflexion von Erfahrungen erworben wird, also in informellen Kontexten. Ausgangspunkt für die Entwicklung des Wissens sind spezifische Problemsituationen. Damit wird die enge Verzahnung von Arbeit und Lernen bedeutend.
Um das Lernen zu fördern, braucht es entsprechende Rahmenbedingungen in der Organisation. Ansatzpunkte bieten vier Erfolgsfaktoren für innovatives Verhalten:
- Situatives Ermöglichen: Schaffung struktureller Rahmenbedingungen in der Organisation, um so z.B. Zugang zu Wissen und spontanen problemorientierten Wissensaustausch durch informelle Kommunikation zu ermöglichen.
- Soziales Dürfen: basiert auf der Schaffung einer innovationsfördernden Unternehmenskultur, die entsprechende Werte und Normen einschliesst. Diese impliziert Erwünschtheit oder Unerwünschtheit von Verhalten und führt zu bestimmten Erwartungen und Unterstützung durch Führungskräfte und Kollegen. Die vier Schlüsselfaktoren (siehe oben) können hierdurch gefördert werden.
- Individuelles Können meint die Fähigkeit ein bestimmtes Verhalten überhaupt zu zeigen. Dafür ist nicht nur Wissen wichtig, sondern auch Kompetenzen, die ständig weiterzuentwickeln sind.
- Persönliches Wollen basiert auf der Bereitschaft und der Motivation, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Anreize, die individuelle Werthaltung und das Führungsverhalten des Vorgesetzten sind hier bedeutend. Allerdings geht es vielmehr um die Vermeidung von Demotivation durch die Umwelt – innovatives Verhalten lässt sich leicht destruieren!
Die situativen Einflussfaktoren sind in der Organisation – in Strukturen, Kulturen und Strategie verankert, aber auch die personalen Faktoren können stark von der Organisation beeinflusst werden. In beiden Bereichen nehmen Führungskräfte eine bedeutende Rolle ein. Darauf gehe ich im nächsten Handlungsfeld ein:
Handlungsfeld 2: Lern- und innovationsorientierte Führungskräfteentwicklung
Führungskräfte sind direkte Repräsentanten der gelebten Unternehmenskultur und deren Werte und Normen. Sie können innovatives Verhalten der Mitarbeitenden entweder begünstigen oder verhindern – auch innovationsfeindliche Zuständen in Organisationen verursachen sie oft mit.
Zentral ist daher deren Fähigkeit, „Menschen zu begeistern und für gemeinsame Ziele einzunehmen, deren Potenzial zu erkennen und zu fördern“ (Haller, 2003). Neben Fachkompetenzen brauchen sie also Führungskompetenzen: Sie müssen andere in ihrem kreativen Potenzial fördern können und dieses wahrnehmen – es geht nicht um ihr eigenes kreatives Potenzial! Gerade die mangelnde Unterstützung durch Führungskräfte führt oftmals zu Barrieren für eine lern- und innovationsförderliche Kultur.
So haben Führungskräfte einen entscheidenden Beitrag in der Förderung der vier Schlüsselfaktoren (siehe oben). Dies stellt erweiterte Anforderungen an Führungskompetenzen, z.B….
- Mut-Machen zur Kreativität, zur Veränderung und Lust auf Innovation und Leistung,
- Problemsensibilität und Entdecken von Widersprüchen bei den Mitarbeitenden fördern,
- Ernstnehmen jeder neuen Idee und Anregung und positive Aspekte darin herausfiltern,
- Veränderungen mittragen,
- Raum schaffen zum angstfreien und durch Neugierde geprägten Umgang mit Veränderungen.
Führungskräften kommt dabei zunehmend die Rolle als Personal- und Kompetenzentwickler bei ihren Mitarbeitenden zu. Neue Steuerungslogiken in Organisationen fordern Selbstorganisation, Verständigung und Verantwortung, die Führungskräfte fördern können. Dabei geht es auch um das Ausschöpfung von Potenzialen und Mitarbeiterbindung, die Sicherung von „High Potentials“ und auch „B-Playern“. Wenn die Förderung der individuellen Kompetenzentwicklung ausbleibt, verlassen Mitarbeitende Organisationen oft aus diesem Grund – das bestätigen einige Studien (Gibb, 2003).
Ein transformationaler Führungsstil kann eine solche Selbststeuerung und Innovationsorientierung bei den Mitarbeitenden fördern, indem er nicht Anpassungslernen fördert, sondern das Einsetzen der Mitarbeitenden für höhere, intrinsische Ziele und das Hinausgehen über eigene Interessen. Der Sinn des gemeinsamen Handelns und gemeinsame Ziele werden so herausgehoben. Eine Studie bestätigt, dass ein solches Führungsverhalten langfristig erfolgsversprechend für Organisationen ist (Geyer & Steyrer, 1998).
In Bezug auf eine didaktischen und managementtheoretischen Abstimmung und eine Rahmen- und Interaktionsgestaltung sind vier Handlungsbereiche für Führungskräfte festzuhalten:
Dem Bildungsmanagement in Organisationen kommt demnach die neue Aufgabe zu, die Führungskräfte in ihrer erweiterten Rolle zu unterstützen. Auch in der Führungskräfteentwicklung sind diese neuen Anforderungen einzubeziehen.
Im nächsten Beitrag werde ich auf die Handlungsfelder 3 und 4 zur Steigerung der Lern- und Innovationsfähigkeit eingehen: Gestaltung innovativer Arbeits- und Vernetzungsformen sowie der Rahmenbedingungen.
Referenzen:
Geyer, A. & Steyrer, J. (1998). Messung und Erfolgswirksamkeit transformationaler Führung. Zeitschrift für Personalforschung, 12 (4), 377–401.
Gibb, S. (2003). Line manager involvement in learning and development: Small beer or big deal? Employee Relations, 3 (25), 281–293.
Haller, C. (2003). Verhaltenstheoretischer Ansatz für ein Management von Innovationsprozessen. Universität Stuttgart (Dissertation).
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