In diesem Beitrag möchte ich auf die letzten beiden Handlungsfelder 3 und 4 eingehen, die anknüpfen an das Rahmenkonzept zur Steigerung der Lern- und Innovationsfähigkeit von Organisationen, das ich zuvor vorgestellt habe.
Handlungsfeld 3: Innovative Arbeits- und Vernetzungsformen gestalten
Wenn Kompetenzentwicklung innovatives Verhalten der Mitarbeitenden zum Ziel haben soll, sind informelle Kontexte zu verzahnen mit formellen, um die beiden Dimensionen „individuelles Lernen – organisationales Lernen“ einzubeziehen.
Besonders hervorzuheben ist dabei die Förderung des (innovationsorientierten) Lernens in selbstinitiierten sozialen Gemeinschaften (angelehnt an die Idee „Community of Practice“ nach Wenger, 1998) als Organisationslogik für das Design von Bildungsmassnahmen. Soziale Gemeinschaften können hier Arbeitsgruppen, Netzwerke und Communities sein. Ziel dieser Organisationslogik ist die selbstorganisierte Reflexion über Innovationen innerhalb der Profession, der sich die Mitarbeitenden zugehörig fühlen – oft erhalten sie genau hieraus neue Trends und Impulse!
So kann die individuelle Lernfähigkeit gesteigert werden, was durch organisatorische bzw. kulturelle Rahmenbedingungen unterstützt wird. Schlüsselfaktor ist hier das Prinzip der Selbstorganisation, was mit einer neuen Kultur des selbstgesteuerten Lernens einhergeht.
Was bedeutet diese Organisationslogik für die Dimension des organisationalen Lernens? Die Förderung dieser Ebene des Lernens birgt das Potenzial, die Lernfähigkeit der Organisation insgesamt zu erhöhen – es geht dabei um das „Lernen lernen“: Einsichten gewinnen über die in der Organisation ablaufenden Lernprozesse selbst und Prozesslernen (wohingegen andere Organisationslogiken nur auf Anpassungs- und Veränderungslernen abzielen, vgl. Agyris & Schön, 1999). Oftmals behindern starre Strukturen und kulturelle Barrieren die Umsetzung.
Welche Rolle kommt dem Bildungsmanagement zu? Lernförderliche Rahmenbedingungen sind zu schaffen, damit sich Mitarbeitende in professionellen Gemeinschaften austauschen können – auch extern. Dazu gehört bspw. Freiräume zur Verfügung zu stellen, damit die Einzelnen eigene Innovationsstrategien entwickeln und relevante Entwicklungen in ihrem Arbeitskontext verfolgen können, um so potenzielle Innovationen für die eigene Arbeitspraxis zu reflektieren. Zugänge für informelles Lernen wie Blogs für Trendmonitoring oder soziale Netzwerke können ermöglicht werden. Zudem ist die Entwicklung von Kompetenzen zentral, die für den Umgang mit einer solchen sozialen und Arbeitsumgebung und digital vernetzten Teams einhergehen, bspw. zu persönlichem Wissensmanagement und Formen des gemeinsamen Arbeitens und Lernens.
Social Software kann diese neuen Vernetzungsformen in Unternehmen unterstützen und dabei sogar Schwierigkeiten des bisherigen Wissensmanagements begegnen. Koch, Richter & Stocker (2012) konnten durch eine Analyse von Fallstudien sechs Zielkategorien ausmachen, die mit dem Einsatz von Social Software bewusst adressiert werden:
- Effiziente, zielorientierte Kommunikation und Vermeidung von Informationsüberflutung;
- Effizienter Wissenstransfer;
- Partizipation der Mitarbeitenden und Schaffung einer offenen Unternehmenskultur;
- Aufbau von Expertennetzwerken, um z.B. „the wisdom of the crowd“ zu nutzen;
- Gesteigerte Awareness und Transparenz, z.B. über Aufgaben und Kompetenzen;
- Gesteigertes Innovationspotenzial und Zukunftsfähigkeit, z.B. durch schnelleres Aufnehmen-können von Innovationen.
In diesem Sinne steht auch der Begriff „Enterprise 2.0“, was folgende zwei Dimensionen für Unternehmen einnehmen kann:
- Interne Dimension: Mitarbeiterkommunikation durch Web 2.0-Tools im Unternehmen zur Förderung von Zusammenarbeit, Austausch von Wissen, Prozessverbesserungen;
- Externe Dimension: Kundenkommunikation durch Nutzung der Tools z.B. zur Einbeziehung und Zusammenarbeit mit Kunden zur Produktentwicklung (Crowdsourcing, Co-Creation) sowie Marketing (virales Marketing, Social Sales).
Zur Förderung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen sind beide Dimensionen in ihrer Verbindung zu denken und zu gestalten.
Handlungsfeld 4: Lern- und innovationsförderliche Rahmenbedingungen
Die Gestaltung von Strukturen und Kulturen impliziert auch Anreizsysteme und Infrastrukturen als wichtigen Bestandteil der lern- und innovationsförderlichen Rahmenbedingungen:
- Strukturelle Faktoren: Aufgaben-, Entscheidungs-, Verantwortungs-, Budget- und Kommunikationsstrukturen, was auch strukturelle Rahmenbedingungen wie technologische Infrastrukturen und Ressourcen (z.B. Zeit) einschliesst, die Wissensmanagement oder Mitarbeiterkommunikation unterstützen können;
- Kulturelle Faktoren: Einstellungen, Macht- und Vertrauensgrade, Werte, implizite und informelle Verhaltensweisen der Systemmitglieder, Transparenz von Wissen; z.B. kann das Erlangen von Ansehen und Reputation durch die Bereitstellung von Wissen als Anreiz dienen.
Interessant ist die These von Wilkesmann (1999, S. 199), wonach Anreize für das Problemlösungslernen – oder auch kollektives Innovationslernen – „diffus“ bleiben soll, um eben keine Innovationsroutinen zu erzeugen!
Wie können Lernkulturen gestaltet werden?
Um lern- und innovationsförderliche Rahmenbedingungen und damit eine innovationsorientierte Kompetenzentwicklung zu gestalten, kann ein Instrument zur Lernkulturanalyse sinnvolle Ausgangspunkte bieten (Tanja Fandel geht darauf in einem früheren Blog-Beitrag ein). Zunächst ermöglicht die systematische Analyse der bestehenden Lernkultur eine Standortbestimmung. Auf dieser Basis können dann konkrete Massnahmen initiiert werden mit dem Ziel, mögliche Lern- und Innovationsbarrieren in der Organisation abzubauen als kontinuierliche Massnahme zur Organisationsentwicklung.
Gerade das Modell nach Seufert, Hasanbegovic & Euler (2007) schafft es eine Brücke zwischen Organisations- und Personalentwicklung zu schlagen, zumal hier an Verantwortungs- und Gestaltungsbereichen des Bildungsmanagements in Organisationen angesetzt wird.
Gleichzeitig kann ein Benchmarking zwischen verschiedenen Abteilungen oder Bildungsbereichen nützlich sein (Camp, 1994), um externes und anwendungsorientiertes Wissen in das eigene Unternehmen zu integrieren, allerdings weniger zur Nachahmung, sondern um erfolgreiche Strategien zu verstehen.
Referenzen
Argyris, C. & Schön, D. A. (1999). Die lernende Organisation. Grundlagen, Methode, Praxis. Stuttgart: Klett-Cotta.
Camp, R. C. & Steinhoff, A. (1994). Benchmarking. München: Hanser.
Koch, M., Richter, A. & Stocker, A. (2012). Enterprise 2.0 – Wissensmanagement der neuen Generation?
Seufert, S., Hasanbegovic, J. & Euler, D. (2007). Mehrwert für das Bildungsmanagement durch nachhaltige Lernkulturen (Scil Arbeitsbericht 11). St. Gallen: Institut für Wirtschaftspädagogik.
Wenger, E. (1998). Communities of Practice: Learning, Meaning, and Identity. Cambridge: Cambridge University Press.
Wilkesmann, U. (1999). Lernen in Organisationen. Die Inszenierung von kollektiven Lernprozessen (Campus Forschung, Bd. 782). Frankfurt/Main [u.a.]: Campus-Verl.
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