Der Bericht einer EFMD Special Interest Group “Digital Age Learning” (2017) formuliert sechs Besonderheiten von “digital age learning”, ein angepasstes Prozessmodell und eine neue Rolle: den “Learning Experience Designer”.
In einer von Nigel Paine moderierten Arbeitsgruppe hatten sich 16 Unternehmen zusammengeschlossen (u.a. Novartis, Pirelli, Santander, Siemens, Swiss Re, UBS) und die Optionen und Herausforderungen der digitalen Transformation für Learning & Development exploriert. Als Sponsoren waren Capgemini Consulting und IESE Business School beteiligt.
Im Mittelpunkt des Berichts stehen neun Erprobungen bzw. Projekte, die bei den Partner-Unternehmen umgesetzt wurden. Darüber hinaus wird eine neue Rollen für Bildungsverantwortliche skizziert, die aus Sicht der Arbeitsgruppe im Zentrum von “Digital Age Learning” steht: “Learning Experience Designer” (Gestalter von Lernerfahrungen).
Ausgangspunkt des Berichts ist das folgende Modell dazu, was Digitalisierung für Unternehmen und Organisationen bedeutet (vgl. Soule et al. 2016):
Von diesem Verständnis von Digitalisierung ausgehend werden sechs Charakteristika von Lernen im digitalen Zeitalter eingeführt, die in den folgenden Abbildungen visualisiert sind:
Die an der Arbeitsgruppe beteiligten Partner brachten eigene Erprobungen bzw. Projekte ein, die in den sechs Dimensionen von ‘Digital Age Learning’ verortet bzw. auf diesen Dimensionen bewertet wurden:
Diese neun Erprobungen bzw. Projekte werden in dem Arbeitsbericht in standardisierter Weise beschrieben:
- Business Need
- What was piloted / created?
- User Experience
- Social Learning
- Analytics
Die Arbeitsgruppe formuliert in diesem Bericht auch ein Modell für Lern- bzw. Entwicklungsprozesse. Wenn dieses mit üblichen Darstellungen des L&D-Prozesses kontrastierend gegenüber gestellt wird, werden die spezifischen Betonungen dieses Modells besonders deutlich:
Der wichtigste Unterschied zu etablierten Darstellungen des L&D-Leistungsprozesses betrifft aus meiner Sicht die Schritte 2 und 3: “Explicate Learning Moments” sowie “Enable the Learning Journey”.
“Explicate Learning Moments”
Im Unterschied zu einem “traditionellen”, angebotsorientierten Modell liegt hier der Fokus auf verschiedensten Lerngelegenheiten, die sich im Arbeitsalltag ergeben. Diese “Learning Moments” gilt es – in Zusammenarbeit mit den Beschäftigen / Lernenden – zu identifizieren und die wichtigsten Momente herauszuarbeiten.
Und dann kommmt der zweite Schritt: die verschiedenen “Learning Moments” zu einer Gesamterfahrung zu verknüpfen:
“Enabling a Learning Journey”
Eine solche Lernreise beinhaltet nicht nur eine sinnvolle Verknüpfung und Abfolge von Learning Moments, sondern auch deren Reflexion und das Herausarbeiten von Mustern, Handlungsmaximen, etc. Ein nicht zu vernachlässigender Aspekt dabei ist, dass diese Lernreise attraktiv gestaltet ist und – soweit möglich – auch Spass macht.
Die Umsetzung dieser Aufgaben bündeln die Autoren der Arbeitsgruppe in einer neuen Rolle: Learning Experience Designer.
The Learning Experience Designer is charged with creating the systems and processes that allow employees to stitch together various learning moments, and create a holistic experience. This task requires a relentless focus on the learner experience; i.e. the way a learner is capturing learning moments, reflecting on them and extracting generalizable patterns. Improving the ease, accessibility and pleasure of these activities, which underpin the ability of the learner to create an integrated learning journey, becomes a primary concern. This mindset is typical of a user experience designer,
EFMD SIG Digital Age Learning, 2017
Die Autoren des Berichts verstehen die Rolle des Learning Experience Designers als Weiterentwicklung der etablierten Rolle Instructional Designer. Learning Experience Designer sollen in allen vier oben angeführten Prozess-Phasen Aufgaben übernehmen:
- Bedarfsklärung / Zieldefinition
Im digitalen Zeitalter spielen hier zum einen Datenanalysen eine wichtige Rolle und zum anderen eine Design-Thinking-Haltung, mit der ein gutes Verständnis der Anforderungen der Nutzer verfolgt wird. - Lerngelegenheiten identifizieren
Hier steht die enge Zusammenarbeit mit den Beschäftigten / Nutzern / Lernenden im Vordergrund und es braucht eine Haltung, die Co-Creation möglich macht. - Lernreise ermöglichen
Hier geht es darum, Neues auszuprobieren, zu tüfteln, Prototypen zu entwickeln und diese zu überprüfen. - Bewerten und personalisieren
Sobald die Lösung steht, treten weitere Aufgaben in den Vordergrund: die Umsetzung optimieren. In einer schnelllebigen Welt müssen Learning Experience Designer gleichzeitig darauf achten, ob und wie sich die Anforderungen der Zielgruppe verändern bzw. neue Möglichkeiten ergeben. Dann müssen sie bereit sein, ihre bisherigen Lösungen über Bord zu werfen und nach neuen Lösungen zu suchen.
Die verschiedenen Facetten der Rolle “Learning Experience Designer” sind in der folgenden Abbildung dargestellt:
Ich finde den Arbeitsbericht, auf den ich über das aktuelle Buch von Nigel Paine (Workplace Learning, 2019) gestossen bin, sehr interessant. Allerdings ist die in diesem Bericht skizzierte Rolle “Learning Experience Designer” breit angelegt und aus meiner Sicht sehr herausfordernd.
Verweise:
Soule, Deborah L.; Puram, Akshita; Westerman, George F.; Bonnet, Didier (2016): Becoming a Digital Organization: The Journey to Digital Dexterity. In: SSRN Journal (January). DOI: 10.2139/ssrn.2697688.
Special Interest Group Digital Age Learning (2017): Digital Age Learning. EFMD Special Interest Group Report. EFMD. Brussels. Online verfügbar unter https://efmdglobal.org/knowledge/studies-and-reports/.